German Federal Government

09/18/2025 | Press release | Archived content

Enge Partner in der Europäischen Union

Bundeskanzler Merz wurde vom spanischen Ministerpräsidenten Sánchez im Moncloa Palast in Madrid empfangen.

Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann

"Unsere beiden Länder sind enge Partner in der Europäischen Union." Das betonte Bundeskanzler Friedrich Merz in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchezin Madrid. Die Vertiefung des Binnenmarktes und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sowie die Sicherheit Europas waren zentrale Themen des Treffens. Auch über die Lage im Mittleren Osten wurde diskutiert.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zwei starke Wirtschaftsstandorte: "Wir wollen Standorte industrieller Fertigung bleiben", betonte Bundeskanzler Merz. Deutschland und Spanien hätten voneinander abhängige Industrien und seien bei Forschung und Entwicklung sowie im Energiesektor enge Partner. Auch die Entwicklung einer gemeinsamen Wasserstoffinfrastruktur sei für beide Länder von überragender Bedeutung, so der Kanzler. Beide teilten das hohe Interesse daran, dass das MERCOSUR-Abkommen mit den südamerikanischen Staaten schnell verabschiedet werde.
  • Sicheres Europa: Man wolle die sehr enge deutsch-spanische Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie weiterführen, sagte der Bundeskanzler. Die neuen EU-Verteidigungsinitiativen müssten nun sehr konsequent umgesetzt werden. "Wir müssen dafür sorgen, dass die europäische Rüstungsindustrie wettbewerbsfähig ist", so der Kanzler. Man stimme auch über eine weitere Unterstützung der Ukraine überein.
  • Sorge über die humanitäre Lage in Gaza: Deutschland und Spanien seien besorgt über die laufende Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte gegen Gaza-Stadt. Sie teilen auch die Befürchtung, dass es im Westjordanland zu Annexionsschritten komme, die eine Zweistaatenlösung noch weiter erschweren könnten, so der Kanzler. "Wir setzen uns wirklich dafür ein, dass eine Zweistaatenlösung in dieser Region weiter möglich bleibt."

Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte
anhand der Simultandolmetschung.)

Ministerpräsident Pedro Sánchez:

Guten Abend - um 9 Uhr abends kann man guten Abend sagen. An erster Stelle bitte ich die Vertreter der Presse um Entschuldigung dafür, dass wir uns etwas verspätet haben. Aber es war ja das erste Mal, dass Kanzler Merz und ich Gelegenheit hatten, uns direkt und etwas ausführlicher zu unterhalten.

Ich möchte mich bei dem Kanzler dafür bedanken, dass er sich die Mühe gemacht hat, nach Madrid zu kommen, und dass er sich als Vertreter eines Landes, mit dem wir in jederlei Hinsicht - wirtschaftlich, kulturell, politisch - eine außerordentliche Beziehung haben, sehr persönlich mit mir unterhalten hat. Daher noch einmal herzlich willkommen dem Bundeskanzler und seiner ganzen Delegation und den Vertretern der Presse, die ihn bei dieser Reise begleitet haben!

Ich glaube, dass unsere Beziehungen, was die Wirtschaft, Investitionen und dergleichen anbelangt, wirklich bewundernswert sind. Das wird nicht oft genug unterstrichen. Die enge Beziehung zwischen unseren beiden Ländern äußert sich auch ansonsten sehr klar. So gibt es zum Beispiel 1600 deutsche Unternehmen, die mehr als 200 000 Arbeitsplätze in Spanien schaffen. Zwölf Millionen Deutsche wählen für die besondere Zeit des Jahres, die sie mit ihrer Familie verbringen möchten und in der sie im Urlaub sein möchten, Spanien. Unser Handelsaustausch beläuft sich auf 86 Milliarden Euro pro Jahr, und das macht Deutschland zu unserem zweitwichtigsten Handelspartner. Das ist ein Betrag, der das Bruttoinlandsprodukt von acht Ländern der Europäischen Union übertrifft. So groß und so intensiv ist der Austausch zwischen unseren beiden Ländern. Diese Zahlen belegen, wie positiv und auch wie dynamisch unsere Beziehungen sind. Es handelt sich um Beziehungen, die wir heute, lieber Kanzler, mit deinem Besuch hier ganz sicher vertiefen werden.

Unsere bilateralen Beziehungen haben auch ergeben, dass wir beide davon überzeugt sind, dass wir eine stärkere und eine geeintere Europäische Union brauchen. Was bedeutet das?

An erster Stelle bedeutet das Einheit im Zusammenhang mit der Herausforderung der Invasion Putins in der Ukraine, mit dem Respekt für das Völkerrecht und für die territoriale Unversehrtheit einer Nation wie der Ukraine, die frei über ihre Zukunft entscheiden möchte und die der Europäischen Union beitreten möchte.

Diese Kohärenz bringen wir in unserem Fall auch dann zum Ausdruck, wenn wir auf den Nahen Osten und auf das Leiden der palästinensischen Bevölkerung zu sprechen kommen. Ich möchte anerkennen, dass Deutschland im Verlauf der letzten Zeit Resolutionen der Vereinten Nationen mit verabschiedet hat, in denen Israel bzw. die Regierung von Premierminister Netanjahu aufgefordert worden ist, die Gewalt einzustellen und sich auf eine Lösung der Krise zuzubewegen, zum Beispiel mit der Zweistaatenlösung.

Schließlich brauchen wir ein wettbewerbsfähigeres Europa, ein sehr viel gerechteres Europa und ein sehr viel nachhaltigeres Europa. Wir haben das gerade besprochen. Wir brauchen eine Roadmap - und es gibt ja eine Roadmap, die von zwei früheren italienischen Premierministern aufgestellt worden ist, nämlich von Enrico Letta und Mario Draghi, die genau darstellen, was zu tun ist, wenn wir wettbewerbsfähiger, gerechter und nachhaltiger werden wollen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich mich bei der deutschen Regierung ganz persönlich dafür bedanken, dass sie alles darangesetzt hat, die Energieinterkonnexionen des Europas des Südens mit dem restlichen Europa aufrechtzuerhalten. Wenn wir von strategischer Autonomie sprechen, dann meinen wir damit natürlich auch Unabhängigkeit, was die Energieversorgung anbelangt. Die Iberische Halbinsel hat hier einen sehr wichtigen Beitrag zu leisten, gerade weil Spanien und Portugal ja wirklich viel beizutragen haben, was die erneuerbaren Energien und grünen Wasserstoff anbelangt. Spanien und Deutschland sind die beiden Länder der Europäischen Union, in denen die meiste Sonnenenergie installiert ist. Hier handelt es sich um eine Entwicklung und einen Fortschritt, der uns alle in Europa erreichen muss; denn so können wir dafür sorgen, dass unser Kontinent Zusammenhalt hat. Wir brauchen für einen Binnenmarkt auch einen Energiebinnenmarkt.

Was wir als Demokraten teilen, ist unsere Verurteilung des Extremismus; auch das war Gegenstand unseres Gesprächs.

Ich komme zum Schluss meines kurzen Statements, bevor ich Kanzler Merz das Wort erteile, indem ich sage, dass Deutschland und Spanien ihre Beziehungen vertiefen werden und weiterhin auf mehr Europa setzen werden. Diese Botschaft einer Einheit ist eine Botschaft, die wir wirklich eindringlich an unsere Bürger und vor allen Dingen auch an die Regierungen, die versuchen, unser gemeinsames europäisches Projekt zu gefährden, weiterleiten möchten. Die europäische Geschichte ist eine Erfolgsgeschichte, und davon profitieren unsere Bürger. Wir müssen uns also dafür einsetzen, dass dieses Vermächtnis geschützt wird, und das können wir als Deutschland und Spanien ganz besonders gut tun. Die Beziehungen zwischen Madrid und Berlin sind ausgezeichnet, und ich glaube, das wird dazu beitragen, dass sich Europa dahin bewegt, wo wir es gerne sehen würden. Und jetzt hast du das Wort.

Bundeskanzler Friedrich Merz:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Pedro Sánchez, zunächst sehr herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung hier in Madrid. Ich habe deine Einladung zu einem offiziellen Besuch hier in Spanien angenommen und freue mich sehr darüber, dass ich die Gelegenheit habe, heute Abend hier zu sein.

Wir beide sind uns ja schon verschiedentlich auch auf der europäischen Ebene begegnet, hatten aber noch nie die Gelegenheit, etwas ausführlicher auch persönlich miteinander zu sprechen, und das haben wir eben bereits getan. Deswegen hat es auch etwas länger gedauert als eigentlich geplant; denn wir hatten sehr viele Themen - auch sehr viele Themen, bei denen wir große Übereinstimmung gefunden haben, die unsere beiden Länder, aber auch unsere gemeinsame Arbeit in der Europäischen Union betreffen.

Ich habe dir erzählt - und will es hier gerne wiederholen -, dass mich mit Spanien mit die schönsten Kindheitserinnerungen verbinden. Ich bin mit meiner Familie sehr häufig in ganz jungen Jahren südlich von Valènciain dem schönen Ort Culleraim Urlaub gewesen. Von daher verbindet mich mit Spanien sehr viel an persönlichen Erinnerungen.

Aber unsere beiden Länder sind ja mehr als nur Kindheitserinnerungen, unsere beiden Länder sind enge Partner in der Europäischen Union. Wir sind große, wichtige Mitgliedstaaten in dieser Europäischen Union, und wir haben großes Interesse daran, dass diese Europäische Union vorankommt. Wir haben intensiv über unsere bilaterale Partnerschaft gesprochen - die ist gut. Wir sprechen aber natürlich auch über unsere gemeinsame Arbeit in der Europäischen Union, und hier haben wir gemeinsame Anliegen.

Unsere beiden Länder sind starke Wirtschaftsstandorte. Das wollen wir bleiben. Wir wollen Standorte industrieller Fertigung bleiben. Wir haben Industrien, die voneinander abhängig sind. Wir sind bei Forschung und Entwicklung und auch im Energiesektor enge Partner. Du hast es angesprochen und ich will es gerne aufgreifen: Auch die Entwicklung einer gemeinsamen Wasserstoffinfrastruktur ist für unsere beiden Länder von überragender Bedeutung.

Ich bin sehr dankbar, dass du die beiden Berichte von Enrico Letta und Mario Draghi angesprochen hast. Das sind sehr gute Vorarbeiten, die geleistet worden sind, zum einen für die Vertiefung des europäischen Binnenmarktes, aber auch für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union. Wir haben mit dieser Methode der Berichte, die dann die Grundlage für spätere Gesetzgebung sind, in der Europäischen Union schon einmal eine sehr gute Erfahrung gemacht. Den europäischen Binnenmarkt hätte es 1993 nicht gegeben, wenn nicht Jacques Delorsim Jahr 1985 einen umfassenden Bericht über den europäischen Binnenmarkt geschrieben hätte.

Ich wünsche mir sehr, dass die Berichte von Enrico Letta und Mario Draghi jetzt auch wieder zur Grundlage der Vertiefung des europäischen Binnenmarktes und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union werden. Da haben wir ein paar Themen, die wir besprechen müssen, auch bei den beiden vor uns liegenden Ratstagungen: dem informellen Rat in Kopenhagen in wenigen Tagen und dann dem offiziellen Rat in Brüssel Ende des Monats. Wir werden uns in diesem Jahr also noch einige Male sehen, um das zu vertiefen, was wir heute bilateral besprechen.

Ich möchte gerne das Thema Handelspolitik aufnehmen. Wir haben ein gemeinsames hohes Interesse daran, dass das MERCOSUR-Abkommen mit den südamerikanischen Staaten jetzt schnell verabschiedet wird, und auf unsere Partner in der Europäischen Union, die noch zweifeln, wollen wir auch gerne einwirken, dass sie zu einem Beschluss kommen. Die Europäische Kommission hat dafür auch einen entsprechenden Vorschlag gemacht.

Ich will auf die Sicherheit Europas zu sprechen kommen und kurz drei Punkte ansprechen.

Erstens sind wir uns einig, dass wir die sehr enge deutsch-spanische Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie weiterführen wollen. Es gibt auch hier entsprechende Initiativen auf der geschäftlichen Ebene, dies zu tun.

Wir setzen uns zweitens mit Blick auf die europäischen Räte im Oktober dafür ein, die neuen EU-Verteidigungsinitiativen nun auch sehr konsequent umzusetzen. Wir haben einen Anfang gemacht, und es müssen nun auch zügig Programme für die Industrie folgen. Wir sind uns einig gewesen in unserem Gespräch. Wir müssen die Zahl der Systeme in Europa drastisch reduzieren, wir müssen die Systeme vereinfachen, und wir brauchen vor allen Dingen Stückzahlen. Wir müssen dafür sorgen, dass die europäische Rüstungsindustrie wettbewerbsfähig ist, und das wird sie nur, wenn sie entsprechend große Stückzahlen mit einer drastisch reduzierten Zahl von Systemen produzieren kann. Sonst werden wir es nicht schaffen, auch hier unsere Abhängigkeiten von anderen Lieferanten zu reduzieren.

Drittens kommt es jetzt entscheidend darauf an, dass wir der Ukraine weiter helfen. Ich bin sehr dankbar - das will ich ausdrücklich sagen -, dass wir hier auch feststellen konnten, dass wir absolut übereinstimmen in unserer Einschätzung, was den Krieg in der Ukraine betrifft, und dass wir hier gemeinsam mehr tun können, um diesen Krieg zu beenden. Denn Russland bedroht nicht nur die Ukraine, Russland bedroht Deutschland und Spanien gleichermaßen. Das gilt eben zum Beispiel für die Risiken, die wir bei den Frachtern der sogenannten russischen Schattenflotte sehen. Wir sehen es in der Ostsee genauso wie in der Straße von Gibraltar. Spanien und Deutschland stellen sich dieser umfassenden Bedrohung entschlossen entgegen. Dies setzen wir auch bei unseren gemeinsamen Aktivitäten in der NATO ganz aktuell um. Wir haben die Luftraumverletzungen gesehen, und wir werden darauf natürlich auch weiter reagieren.

Wir werden heute Abend auch über die Lage im Mittleren Osten sprechen. Wir teilen die tiefe Sorge über die humanitäre Lage in Gaza und die laufende Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte gegen Gaza-Stadt. Wir teilen auch die Befürchtung, dass es im Westjordanland zu Annexionsschritten kommt, die eine Zweistaatenlösung noch weiter erschweren könnten. Wir setzen uns wirklich dafür ein, dass eine Zweistaatenlösung in dieser Region weiter möglich bleibt.

Es bleibt trotzdem kein Geheimnis, dass wir beide - das will ich offen ansprechen - daraus jetzt verschiedene Schlüsse ziehen. Für die Bundesregierung steht die Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit gegenwärtig nicht zur Debatte. Eine solche Anerkennung sehen wir weiter als einen der letzten Schritte, nicht als einen der ersten hin auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung. Wir werden über diese Fragen offen diskutieren. Es ist auch keine Überraschung, dass wir hier unterschiedlicher Auffassung sein können. Das hat natürlich auch etwas mit der deutschen Geschichte zu tun - ich habe in den letzten Tagen in Deutschland verschiedentlich darauf hingewiesen.

Aber eines ist auch klar: Kritik an der israelischen Regierung muss möglich sein, aber wir dürfen nie zulassen, dass sie zu einer Hetze gegen Jüdinnen und Juden missbraucht wird. Auch darüber sind wir uns beide einig.

Noch einmal, lieber Pedro Sánchez: Das sind eine Vielzahl von Themen, die wir auch heute Abend beim Abendessen vertiefen. Ich freue mich deswegen auf die Begegnung heute Abend und ich freue mich auch auf den Besuch in Berlin. Noch einmal sehr herzlichen Dank für die Einladung! Ich glaube, ich darf das sagen: Deutschland war bei den letzten spanisch-deutschen Regierungskonsultationen Gast in Spanien, und wir wollen im nächsten Jahr dann gute Gastgeber für spanisch-deutsche Regierungskonsultationen in Deutschland sein. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit, auch unsere persönliche Zusammenarbeit - und die unserer gut miteinander arbeitenden beiden Länder ohnehin.

Sehr, sehr herzlichen Dank.

Fragerunde im Anschluss:ÖffnenMinimieren

Frage: Herr Bundeskanzler, die EU-Kommissionspräsidentin hat Vorschläge vorgelegt, was Sanktionen gegen Israel angeht. Mich würde interessieren, wie Sie zu diesen Vorschlägen stehen. Hat sich die Bundesregierung schon darauf verständigt, Handelssanktionen auf jeden Fall im EU-Rat abzulehnen? Wie stehen Sie zu den anderen Vorschlägen, also zu personenbezogenen Sanktionen oder etwa einem Einfrieren der Forschungsförderung? Was halten Sie von der Forderung von Ministerpräsident Sánchez, Israel von großen Sportveranstaltungen und Kulturveranstaltungen auszuschließen?

Herr Ministerpräsident, wie stehen Sie zu den Vorschlägen von Frau von der Leyen? Gehen die Ihnen weit genug? Haben Sie Verständnis für die deutsche Zurückhaltung beim Thema Sanktionen?

Bundeskanzler Merz: Herr Fischer, Sie wissen, dass wir in der Sache eine sehr klare Position in der Bundesregierung haben - ich habe das gerade noch einmal ausgeführt - und wie wir auch über den Konflikt dort denken. Wir stehen auf der Seite Israels. Das heißt nicht, dass wir jede Entscheidung einer israelischen Regierung teilen und gutheißen. Ich habe das selbst auch hinreichend zum Ausdruck gebracht, denke ich.

Wir werden eine abschließende Meinung der Bundesregierung zu diesen Fragen, die jetzt auf der europäischen Ebene zu beantworten sind, in den nächsten Tagen miteinander finden. Wir werden ja in der nächsten Woche noch einmal eine vollständige Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in Berlin haben, und wir sind dann auch alle in Berlin. Das heißt, wir werden in der nächsten Woche auch auf der Ebene des Bundeskabinetts noch einmal miteinander über diese Fragen sprechen. Ich gehe davon aus, dass wir dann beim informellen Rat am 1. Oktober in Kopenhagen eine Position haben werden, die auch von der ganzen Bundesregierung getragen wird.

Ministerpräsident Sánchez: Vielen Dank für diese Fragen. Im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Präsidentin der Europäischen Kommission ist die spanische Position ganz eindeutig: Wir sind damit einverstanden. Wir fordern die Europäische Kommission ja schon seit einem Jahr auf, das strategische Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel aufzukündigen bzw. auszusetzen, weil einer der wichtigsten Artikel verletzt wurde, und zwar der Respekt für das internationale Menschenrecht.

An zweiter Stelle möchte ich mehreres klären. Das spanische Volk ist ein Volk, das Freund des israelischen Volkes ist. Ich war wenige Monate nach dem schrecklichen Attentat der Hamas in Israel, bin dort vorstellig geworden und habe sofort die Befreiung aller Geiseln durch die Hamas gefordert. Aber als ein Land, das über viele Jahre hinweg Erfahrungen mit dem Terrorismus gemacht hat - glücklicherweise ist der ETA-Terrorismus jetzt vorbei, aber wir dürfen nicht vergessen, dass das schwerwiegendste dschihadistische Attentat in dieser Stadt, in Madrid, stattgefunden hat -, haben wir diese Erfahrung, und wir wissen, wie man den Terrorismus besiegt. Das ist nicht so, wie Israel es versucht, nicht durch einen wahllosen Angriff auf die Zivilbevölkerung mit mehr als 65.000 Toten. Das Ergebnis dieser Strategie wird nicht nur ein isolierteres Israel, sondern auch ein unsichereres Israel und eine ganze Region sein, die noch sehr viel unsicherer als vor dem Attentat der Hamas sein wird. Aus diesem Grund muss man der israelischen Regierung deutlich machen, dass ihre Strategie vollkommen falsch ist. Sie trägt dazu bei, dass die Situation nicht nur für die palästinensische Bevölkerung, sondern für die ganze Region immer schwieriger wird.

Es mag einigen Vertretern der Presse eigenartig vorkommen, dass Spanien sich hier so deutlich äußert. Vielleicht ist das darauf zurückzuführen, dass wir mediterran sind. Wir gehören dem Süden Europas an. Wir sind uns nicht nur bewusst, dass man das internationale Völkerrecht schützen muss, sondern die Stabilität einer derart wichtigen Region wie des Nahen Ostens und wie des Mittelmeerraums macht uns natürlich besondere Sorge.

Aus diesem Grund werden wir weiterhin alles daransetzen, dass sich Frieden so bald wie möglich einstellt und dass wir uns allmählich auf die Zweistaatenlösung zubewegen können. Es handelt sich dabei um eine Lösung, die - ich sage es immer wieder - in der friedlichen Koexistenz zweier Völker bestehen muss, die wir beide bewundern, das israelische Volk und das palästinensische Volk.

Frage: Ich bedanke mich im Namen der spanischen Journalisten. Sie haben hier über die Unterschiede gesprochen. Spanien spricht von Genozid, Deutschland aber nicht. Herr Kanzler, was müsste passieren, damit Deutschland wie Spanien auch von einem Völkermord in Gaza spricht?

Dann habe ich eine weitere Frage. Hat der spanische Präsident Sie davon überzeugen können, den spanischen Regionalsprachen offiziellen Charakter in der Europäischen Union zu verleihen? Ist das überhaupt zur Sprache gekommen?

Ministerpräsident Sánchez: Vielen Dank, für diese Fragen. An erster Stelle: Nein, wir sind nicht in Einzelheiten darauf eingegangen, das, was in Gaza vorliegt, terminologisch zu qualifizieren. Die unterschiedlichen Positionen sind ja dargestellt worden. Diese Woche ist von der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen ein Bericht herausgegeben worden, der von Völkermord spricht, und laut Umfragen in Spanien sagen 82 Prozent der spanischen Bevölkerung, dass es sich ihrer Auffassung nach um einen Genozid handelt.

Aber es ist ganz klar, dass die deutsche und die spanische Regierung übereinstimmen, was die Ziele anbelangt. Über die Wege, die dahin führen, sind wir unterschiedlicher Auffassung. Aber wir beide streben an und wünschen uns, dass es zu einer friedlichen Koexistenz beider Völker kommt, dass der Gewalt ein Ende bereitet wird, dass sich ein politischer Horizont auftut, dass das Leiden aufhört und dass humanitäre Hilfe geleistet werden kann. Genau darin sind wir uns einig.

Was die offiziellen Sprachen anbelangt: Ja, in der Tat habe ich dem Kanzler hier die spanische Position erklären können. Sie ist wohlbekannt. Natürlich geht das nur mit Einstimmigkeit. Wir warten seit 40 Jahren darauf, und vielleicht gelingt es irgendwie in einer nicht allzu fernen Zukunft, doch so weit zu kommen.

Bundeskanzler Merz: Wir sehen vor allem das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Wir teilen die Einschätzung, dass dies im Hinblick auf die zu Recht von der israelischen Regierung erwarteten Ziele unverhältnismäßig ist. Ich will es noch einmal sagen: Dieser Krieg endet sofort, wenn die Hamas die Geiseln freilässt und die Waffen schweigen lässt. Die Hamas hat es in der Hand, innerhalb von Stunden diesen Konflikt zu beenden. Trotzdem sehen wir die eingesetzten Mittel als kritisch an. Wir teilen die Einschätzung der israelischen Regierung nicht, dass sie auf diesem Weg das Ziel erreichen kann, nämlich die Hamas auf Dauer zu beseitigen. Insofern teilen wir die Kritik im Vorgehen. Wir teilen nicht miteinander die Beschreibung dieses Vorgehens als einen Völkermord.

Wir bemühen uns gemeinsam in der Europäischen Union und bemühen uns als jedes Mitgliedsland in der Europäischen Union, auf die israelische Regierung einzuwirken. Sie wissen vermutlich, dass ich bereits vor fünf Wochen die Entscheidung getroffen habe, dass Waffen und Munition, die in diesem Teil des Konfliktes eingesetzt werden können, aus der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr geliefert werden. Ich halte diese Entscheidung nicht nur nach wie vor für richtig, ich fühle mich durch die Entwicklung der letzten Tage auch bestätigt darin, dass es dazu wirklich keine bessere Alternative gab, als sie genau so zu treffen.

Wir haben über die Sprachen gesprochen. Ja, ich kenne die spanische Position. Ich bin selbst Mitglied des Europäischen Parlaments gewesen und weiß, wie kompliziert der Sprachendienst in der Europäischen Union ist. Jede zusätzliche Sprache multipliziert natürlich noch einmal den Bedarf an Übersetzungen. Ich glaube sogar, dass es mittelfristig eine sehr gute Lösung gibt: Wir werden alle eines Tages über künstliche Intelligenz keine Dolmetscher mehr brauchen. Dann werden wir alle auf unseren Ohrhörern jede Sprache der Welt in der Europäischen Union hören und verstehen und sprechen können. Bis dahin ist noch einige Zeit.

Ich habe das Anliegen verstanden. Wir werden darüber auch noch einmal miteinander reden. Ich verstehe die Position der spanischen Regierung und des spanischen Ministerpräsidenten im Hinblick auf die sprachlichen Herausforderungen, gerade hier in Spanien. Ich weiß, wie unterschiedlich diese Sprachen auch sind. Es sind ja Sprachen, die zum Teil gar nicht gegenseitig verständlich sind. Insofern verstehe ich das Anliegen. Wie wir es lösen können, darüber müssen wir noch weiter diskutieren.

Frage: Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, Sie haben eben die Rüstungszusammenarbeit erwähnt, und ich würde ganz gerne auf FCAS zu sprechen kommen, ein Thema, bei dem Deutschland, Spanien und Frankreich ja schon zusammenarbeiten. Ich hätte ganz gerne von Ihnen beiden gewusst, ob Sie zu diesem Projekt stehen, selbst wenn es bleibende Differenzen mit Frankreich geben sollte. Werden Spanien und Deutschland an diesem Projekt also festhalten, möglicherweise dann mit anderen Partnern?

Herr Ministerpräsident, ich habe eine Zusatzfrage zur Ukraine. Es geht ja um konkrete Hilfe. Spanien verfügt unter anderem über Patriot-Luftabwehrsysteme. Wäre Spanien bereit, der Ukraine, die täglich angegriffen wird, auch neue Systeme zu liefern?

Bundeskanzler Merz: Herr Rinke, wir haben in der Tat über FCAS gesprochen, und wir teilen miteinander die Einschätzung, dass die gegenwärtige Situation unbefriedigend ist. Wir kommen mit diesem Projekt nicht voran. Wir sprechen beide mit der französischen Regierung, und wir wollen beide möglichst bald eine Lösung. Es gibt eine Verabredung zwischen Frankreich, Deutschland und Spanien über dieses Projekt. Wir sind uns beide darüber im Klaren, dass wir ein solches Projekt brauchen. Aber es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig. Deswegen haben wir beide darüber gesprochen, ich habe auch mit dem französischen Staatspräsidenten mehrfach darüber gesprochen, und wir wollen versuchen, bis zum Ende des Jahres eine Lösung herbeizuführen, damit dieses Projekt dann auch wirklich realisiert werden kann.

Ministerpräsident Sánchez: Vielen Dank für diese Fragen. Ich glaube, der Kanzler hat auf die erste Frage ausgiebig geantwortet. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Spanien ist wirklich für dieses Projekt, aber unter den Voraussetzungen, die wir, die drei Länder Frankreich, Spanien und Deutschland, verabredet hatten. Wenn wir also von dem Europa der Verteidigung sprechen, dann haben wir hier ein typisches Beispiel dessen, was darunter zu verstehen ist, und hoffentlich gelingt es bald, dies in Angriff zu nehmen.

Zur zweiten Frage nach der Ukraine und den Luftabwehrsystemen möchte ich sagen, dass Spanien bereits Luftabwehrsysteme und Kapazitäten in die Ukraine verlagert hat. Nicht Patriot-Systeme, aber andere Systeme. Ich kann mich nicht zu der Patriot-Kapazität Spaniens äußern, aber es gibt ein weiteres NATO-Mitgliedsland, in dem wir die Systeme stationiert haben, und zwar in der Türkei, und uns in Spanien interessiert natürlich vor allen Dingen der Schutz der Südflanke. Aber die Luftabwehrsysteme, die wir an die Ukraine geliefert haben, sind ein Fakt.

Frage: Es gibt sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Ausgaben für die Verteidigung. Spanien ist da ja anderer Auffassung. Haben Sie darüber gesprochen?

Haben Sie auch darüber gesprochen, wie man sich der Ultrarechten in Europa widersetzen kann?

Herr Ministerpräsident, wie ist das Gespräch zwischen Rodríguez Zapateround Juntsverlaufen? Wird Juntsden Haushalt unterstützen?

Ministerpräsident Sánchez: Auf die letzte Frage antworte ich, was ich immer antworte: Ich habe keine Informationen darüber. Ich habe heute Nachmittag hier etwas anderes gemacht. Sie erfahren das sicher, bevor ich es tue.

Wir haben im Zusammenhang mit der extremen Rechten gesagt, dass es im Europäischen Parlament drei politische Kräfte gibt, die Sozialdemokraten, die Volkspartei und die Liberalen, die eine sehr solide Mehrheit darstellen, die unsere Prioritäten und Strategien vertritt, natürlich alles immer unter dem Vorbehalt, dass im Europäischen Parlament die entsprechenden Richtlinien in Übereinstimmung mit dem Bericht von Letta und Draghi verabschiedet werden müssen. Dort haben wir eben diese drei politischen Familien.

Was den Beitrag zum NATO-Haushalt anbelangt, haben wir darüber nicht gesprochen. Kanzler Merz kennt natürlich die spanische Position diesbezüglich bestens. Ich möchte hier nur unseren beiden Bevölkerungen sagen, dass Spanien im Jahre 2017 einen Haushalt für Verteidigung von (akustisch unverständlich) Prozent des Bruttoinlandsprodukts geerbt hat und wir jetzt bei mehr als zwei Prozent liegen. Wenn es also eine Regierung gibt, die ihrer Verantwortung gerecht wird, einen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung zu leisten, dann ist es diese Regierung Spaniens. An der Ostflanke stellen wir das mit der Stationierung von Truppen, von militärischen Kapazitäten, von Flugzeugen unter Beweis.

Was den Aufruf des Generalsekretärs der NATO im Zusammenhang mit den russischen Drohnen anbelangt, haben wir bekundet, dass wir absolut dazu bereit sind, an der entsprechenden neuen NATO-Mission teilzunehmen. Was die Teilnahme Spaniens an den NATO-Missionen anbelangt, sind wir hier also voll engagiert und sind ein sehr zuverlässiger Partner.

Bundeskanzler Merz: In der Tat kenne ich die spanische Position. Wir haben ja auch in Den Haagauf dem NATO-Gipfel bilateral darüber gesprochen. Wichtig ist, dass wir alle in der Europäischen Union bzw. auf der europäischen Seite der NATO-Bündnisses - dazu zähle ich auch ganz bewusst und mit großer Freude Großbritannien, das hier einen wichtigen Beitrag leistet und eng mit uns zusammenarbeitet - die Fähigkeiten entwickeln, die wir brauchen, um uns wirksam zu verteidigen. Natürlich sind das Messgrößen, an denen wir uns orientieren. Aber wir akzeptieren selbstverständlich, dass Spanien, und ich kenne die Zahlen, in den letzten Jahren einen enormen Aufholprozess im Hinblick auf seinen Verteidigungshaushalt geleistet hat. Wir alle sind von fünf Prozent weit entfernt. Im Übrigen haben wir 3,5 Prozent für die reinen Verteidigungsausgaben verabredet, und das ist die Größe, der wir uns alle nähern müssen. Aber wir sehen den Weg, den Spanien gegangen ist, und begrüßen es sehr, dass die spanische Regierung hier so ambitioniert ist. Wir sind uns gleichwohl darüber im Klaren, dass wir auch in Zukunft mehr brauchen und dass wir hier gemeinsam größere Anstrengungen unternehmen müssen.

Lassen Sie mich abschließend gern noch einmal auf unsere Zusammenarbeit im Europäischen Parlament zu sprechen kommen. Die europäischen Sozialdemokraten werden von einer Spanierin geführt. Die europäischen Christdemokraten werden von einem Deutschen geführt. Wir beide haben verabredet, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten hier sehr eng begleiten wollen, wie die Zusammenarbeit unserer beiden Fraktionsgruppen im Europäischen Parlament geleistet wird. Zusammen mit den Liberalen haben wir eine Mehrheit im Europäischen Parlament, und ich möchte gerne, dass diese Mehrheit aktiv bleibt und dass sie jetzt auch den Weg mitgeht, zum Beispiel bei den ersten Omnibusvorschlägen - so heißen sie ja in Brüssel - im Hinblick auf den Rückbau der Bürokratie. Wenn diese Zusammenarbeit gut funktioniert, dann ist die Mehrheit im Europäischen Parlament gesichert. Wenn es dort Schwierigkeiten geben sollte, haben wir beide verabredet, dass wir miteinander sprechen und versuchen, die Differenzen zu überwinden, sodass die beiden Fraktionen dann wirklich eine gute Zusammenarbeit im Europäischen Parlament finden. Da ich selbst in diesem Parlament war, habe ich ein Gefühl dafür, was man tun muss, um es auch hinzubekommen. Ich gebe allerdings zu: Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich im Europäischen Parlament war, ist die Zahl der Fraktionen noch viel, viel kleiner gewesen, die Zahl der Mitgliedstaaten auch. Es wird also komplizierter, aber wir beide sind verabredet, zu helfen.

Ministerpräsident Sánchez: Vielen Dank und guten Abend!

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