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11/10/2025 | News release | Distributed by Public on 11/10/2025 23:33

Wie E-Autos und Wärmepumpen der Schweiz helfen, die Energiestrategie umzusetzen

Wie E-Autos und Wärmepumpen der Schweiz helfen, die Energiestrategie umzusetzen

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Flexible gesteuerte Wärmepumpen und Elektroautos könnten in Zukunft Stromimporte reduzieren und Strompreise senken. Das zeigt eine neue Studie eines Schweizer Forschungskonsortiums unter der Leitung der ETH Zürich.

11.11.2025 von Christoph Elhardt, Hochschulkommunikation
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Gemäss einem neuen Bericht könnten Wärmepumpen und E-Autos in Zukunft wichtige Flexibilitätslieferanten für das Schweizer Stromsystem sein. (Bild mit KI generiert: Lea Rüfenacht / ETH Zürich)

In Kürze

  • Durch flexibel gesteuerte Wärmepumpen und Elektroautos könnte die Schweiz im Jahr 2050 rund vier Prozent mehr erneuerbaren Strom bei gleicher installierter Leistung nutzen.

  • Diese nach Netzauslastung gesteuerte Flexibilität könnte die jährlichen Netto-Stromimporte im Vergleich zu einem Energiesystem ohne flexibel gesteuerte Wärmepumpen und Elektroautos um rund 20 Prozent reduzieren. Auch in den Wintermonaten würde weniger importiert werden.

  • Teure Verstärkungen der Verteilnetze könnten durch flexibel gesteuerte Wärmepumpen und Elektroautos verzögert und reduziert werden.

Elektroautos und Wärmepumpen könnten bei der Umsetzung der Schweizer Energiestrategie eine grosse Rolle spielen. Bis 2050 soll gemäss Bundesrat die Energieversorgung der Schweiz CO2-neutral sein. Wärmepumpen sollen Öl- und Gasheizungen, und Elektroautos allmählich Verbrennerfahrzeuge ersetzen. Dadurch steigt der Strombedarf deutlich an - von heute rund 56 Terawattstunden (TWh) auf rund 75 TWh pro Jahr bis 2050.

Ein neuer Bericht des Schweizer Forschungskonsortiums «PATHFNDR», das vom Schweizer Bundesamt für Energie im Rahmen des Programms «SWEET» gefördert wird, zeigt nun, dass Wärmepumpen und Elektroautos neben der Wasserkraft wichtige Flexibilitätslieferanten für das Schweizer Stromsystem im Jahr 2050 sein können. Christian Schaffner, Direktor des Energy Science Centers an der ETH Zürich und Co-Leiter des Projektes erklärt: «Beide Technologien stimmen den steigenden Stromverbrauch besser mit der Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen ab. Das entlastet das Stromnetz, verringert die Importe und senkt die Strompreise im Grosshandel - vor allem in den Wintermonaten.»

Nur verbrauchen, wenn das Netz nicht ausgelastet ist

Diese Flexibilität zeigt sich im Alltag folgendermassen: Bei Aussentemperaturen von 0°C können sich intelligent gesteuerte Wärmepumpen in Gebäuden mit Minergie-Standard bis zu zehn Stunden abschalten, ohne dass die Raumtemperatur spürbar sinkt. Dadurch lässt sich vermeiden, dass zu viele Wärmepumpen gleichzeitig laufen und das Netz überlasten.

Auch Elektroautos sind oft viel länger am Netz als für eine Vollladung nötig - zum Beispiel, wenn sie nach Feierabend in der Garage zum Laden angeschlossen werden. Dies erlaubt einen zeitlich optimierten Ladevorgang, der sich am Stromangebot orientiert. Besonders lohnen würde sich laut Studie das Laden am Arbeitsplatz: «Tagsüber, wenn die Sonne scheint, stehen viele Fahrzeuge ohnehin auf Parkplätzen. Wenn sie dort laden, liesse sich die Photovoltaikproduktion optimal nutzen», erklärt Siobhan Powell, Energieforscherin an der ETH Zürich und eine der Hauptautorinnen.

Mehr Strom, weniger Stromimporte

Die Schweiz will bis 2050 50 bis 60 Prozent ihres Strombedarfs (45 TWh pro Jahr) mit neuen erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaik, Windenergie oder Biomasse decken. Die Modellrechnungen der Forschenden zeigen nun, dass dieses Ziel durch den flexiblen Stromverbrauch von Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen einfacher zu erreichen sein wird.

Werden Wärmepumpen und Elektroautos flächendeckend flexibel koordiniert und gesteuert, könnten in der Schweiz im Jahr 2050 rund vier Prozent mehr erneuerbarer Strom zur Verfügung stehen. «Der grösste Teil davon ist Solarstrom im Frühling und Sommer, der besser verteilt und dadurch nicht abgeregelt werden muss», erklärt Powell.

Dazu kommt, dass durch flexible Wärmepumpen und Elektroautos die Netto-Stromimporte über das ganze Jahr hinweg um rund 20 Prozent sinken könnten, insbesondere auf Grund höherer Nettoexporte im Frühling und im Sommer. «Das sind etwa 1.8 TWh Strom, was dem Jahresverbrauch von rund 0,5 Millionen Schweizer Haushalten entspricht», sagt Powell. Gemäss der Studie würde die Schweiz auch in den Wintermonaten rund 0.7 TWh weniger Strom importieren. Dies entspricht 4.4 Prozent weniger Winter-Nettoimporte im Vergleich zu einem Energiesystem ohne flexibel gesteuerte Wärmepumpen und Elektroautos.

Günstigerer Strom und weniger Gaskraftwerke

Die Studie zeigt ausserdem, dass auch die Strompreise im Grosshandel auf Grund einer gleichmässigeren Verteilung von Angebot und Nachfrage mittels flexibler Wärmepumpen und Elektroautos sinken könnten. Am grössten ist diese Strompreissenkung in den Wintermonaten Januar bis März, wo die Preise im Grosshandel um bis zu sechs Prozent sinken könnten.

Die Forschenden schätzen ausserdem, dass ein durch flexible Wärmepumpen und Elektroautos gestütztes Stromsystem um rund vier Prozent günstiger betreibbar wäre als ein System ohne diese beiden Flexibilitätslieferanten.

Zudem müssten durch den Einsatz flexibel gesteuerter Wärmepumpen und Elektroautos 2050 auch weniger Gaskraftwerke und Batteriespeicher gebaut werden. Der Investitionsbedarf in Gaskraftwerke und Batterien sinkt den Schätzungen zu Folge um rund ein Drittel. «Gaskraftwerke und Batterien sind vor allem notwendig, um Spitzen der Stromnachfrage auszugleichen. Wenn Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen diese Funktion übernehmen, dann brauchen wir weniger davon», erklärt Powell.

Flexibilität ja, aber bitte komfortabel

Laut einer repräsentativen Befragung, die im Rahmen der Studie durchgeführt wurde, sind rund 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung bereit, durch flexibles Heizen und Laden zur Netzstabilität beizutragen, solange ihr Komfort nicht beeinträchtigt wird und die Steuerung automatisch erfolgt. Rund 30 Prozent der Befragten gaben sogar an, leichte Komforteinbussen hinzunehmen, wenn dadurch die Stromkosten sinken.

Tiefere Spitzenlasten in Quartieren und reduzierter Netzausbau

Wenn viele Haushalte gleichzeitig ihre Autos laden oder ihre Wärmepumpen betreiben, drohen Engpässe. Die heutigen Leitungen und Transformatoren wären für diese Lasten häufig nicht ausgelegt und müssten verstärkt werden.

Die Forschenden untersuchten rund 50 Netzgebiete in der Schweiz. Sie kommen zum Schluss, dass durch flexibel gesteuerte Wärmepumpen und Elektroautos die Spitzenlasten in Quartieren sinken würden und dadurch teure Verstärkungen der Verteilnetze verzögert und reduziert werden könnten. Wie gross diese Effekte tatsächlich sind, hängt auch davon ab, ob es sich um städtische oder ländliche Gebiete handelt.

Stromtarife, die Bürger:innen belohnen

Damit Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen bis 2050 tatsächlich als Flexibilitätslieferanten dienen können, müssen sie mit der nötigen Steuerungs- und Kommunikationstechnologie ausgestattet sein. Das ist aktuell noch nicht flächendeckend der Fall. Die Studienautoren empfehlen daher, dass nur mehr Systeme subventioniert werden, die auch flexibel und intelligent betrieben werden können.

Darüber hinaus sollten die Betreiber:innen von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen einen Anreiz haben, ihr Heiz- und Ladeverhalten anzupassen. Um dies zu erreichen, empfiehlt die Studie unter anderem dynamische Stromtarife, die zeitlich flexibles Laden und Heizen belohnen. Vor allem die starken lokalen Unterschiede bei den Stromtarifen und Einspeisevergütungen würden diese Massnahme in der Schweiz jedoch erschweren, heisst es in der Studie.

Die Forschenden weisen ausserdem darauf hin, dass die Förderinstrumente in der Schweiz sehr heterogen sind und es bislang keine nationales «Recht auf Laden» für Mieter:innen mit Elektrofahrzeugen gibt. Das müsse sich schnell ändern.

PATHFNDR

externe Seite PATHFNDR ist ein Forschungskonsortium, das vom externe Seite Schweizer Bundesamt für Energie im Rahmen des Programms«SWEET»(Ausschreibung 1-2020) gefördert und von der ETH Zürich geleitet wird. Das Konsortium besteht aus acht Forschungspartnern - ETH Zürich, Empa, PSI, ZHAW, HSLU, UNIGE, EPFL und TU Delft - sowie 25 Kooperationspartnern. Ziel des Konsortiums ist es, Übergangswege für die Integration erneuerbarer Energien in der Schweiz zu entwickeln und zu analysieren. Das Konsortium zeigt realisierbare Wege auf, stellt Planungs- und Betriebsinstrumente bereit, entwickelt Pilot- und Demonstrationsprojekte, identifiziert neue Geschäftsmöglichkeiten und Innovationsstrategien und analysiert mögliche politische Massnahmen.

Literaturhinweis

Powell S, Marinakis A, Ruefenacht L et.al., Flexibility provision from electromobility and buildings. Synthesis report, PATHFNDR Consortium, 11.11.2025, doi: 20.500.11850/787060

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