German Federal Government

12/03/2025 | Press release | Distributed by Public on 12/04/2025 04:57

Regierungspressekonferenz vom 3. Dezember 2025

Sprecherinnen und Sprecher

  • stellvertretender Regierungssprecher Meyer

  • Fichtner (BMUKN)

  • Greve (BMWE)

  • Giese (AA)

  • Blankenheim (BMV)

  • Müller (BMVg)

  • Zanetti (BMI)

  • Haberlandt (BMG)

(Vorsitzende Hamberger eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt
SRS Meyer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.)

SRS Meyer

Ich habe einen kurzen Bericht aus der Kabinettssitzung.

Das Kabinett hat heute zwei Gesetzentwürfebeschlossen, die Deutschlands Beitritt zum UN-Hochseeschutzabkommen und dessen Umsetzungermöglichen. Der Bundesumweltminister hat sich, glaube ich, dazu auch schon geäußert.

Daher möchte ich von dieser Stelle aus nur noch einmal betonen: Das UN-Hochseeschutzabkommen schafft erstmals weltweit einheitliche Regeln für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt auf hoher See. Das ist einer der größten internationalen umweltpolitischen Erfolge der letzten Jahre und somit ein wichtiges Zeichen dafür, dass Multilateralismus funktionieren kann. Gerade auf hoher See wird deutlich, wie dringend globale Lösungen für den Schutz der Meere entwickelt werden müssen.

Das Hochseeschutzgesetz setzt das Übereinkommen eins zu eins um und enthält diverse Instrumentarien zum Schutz der marinen Biodiversität. Das ist heute ohne Aussprache und ohne große Diskussion vom Kabinett beschlossen worden.

Frage

Herr Meyer, vielleicht könnten Sie noch einmal klar sagen, was das für Konsequenzen für Deutschland hat. Wir haben ja jetzt nicht so eine gigantisch große Küste. Sind davon auch Küstenschutzgebiete in Deutschland betroffen? Gibt es konkrete Pläne, auch Gebiete auszuweisen?

SRS Meyer

Wenn Sie erlauben, würde ich die Frage an das zuständige BMUKN abgeben, wenn das okay ist.

Fichtner (BMUKN)

Wir reden hier über die hohe See. Das ist der Bereich, der jenseits der Küstengewässer und auch jenseits der ausschließlichen Wirtschaftszonen liegt, sprich Meeresgebiete, die keinem Staat und insofern uns allen als Menschheit gehören. Insofern braucht man da auch neue Formen der Zusammenarbeit. Bisher gibt es dort keine Regeln, um Meeresschutzgebiete auszuweisen. Künftig wird es sie geben.

Die Folgen sind, dass Deutschland an dieser Zusammenarbeit teilhat. Wir werden dann sowohl an der Erarbeitung von solchen Schutzgebieten als auch an den Folgefragen mitwirken, die sich daraus ergeben.

Zusatzfrage

Deutschland hält ja im Pazifik auch Lizenzen für den Abbau unter anderem von Manganknollen. Hat das auch Auswirkungen auf diese Gebiete? Könnten die davon betroffen sein?

Fichtner (BMUKN)

Es geht ja nicht um die gesamte hohe See, die unter Schutz gestellt wird, sondern es geht um die Voraussetzung dafür, dass Schutzgebiete auf hoher See entstehen können. Wie die Schutzgebiete am Ende ausgestaltet sein werden, ist jeweils ein Aushandlungsprozess, der dann von den Vertragsstaatenkonferenzen geleistet wird.

Mit Blick auf bisherige Abbaumöglichkeiten weiß man im Wirtschaftsministerium vielleicht mehr.

Greve (BMWE)

Das kann ich nicht ergänzen.

Frage

Herr Fichtner, wie verhält sich denn die Absichtserklärung, die für noch zu treffende Regelungen auf hoher See getroffen werden müssen und abgeschlossen werden müssen, zu dem, was dann in küstennahen Gewässern Beeinträchtigung der auch zu den Meeren gehörenden Gebiete betrifft? Amrum ist ein Beispiel, die Gasförderung oder auch die CO2-Verpressung in der Ostsee. Stehen da nicht zwei Prinzipien im Widerspruch zueinander, indem man sagt "Ja, auf hoher See machen wir es, wenn wir es irgendwie machen können, aber da, wo es direkt um unsere eigenen wirtschaftlichen Einflusszonen geht, unternehmen wir Handlungen, die eigentlich der Intention entgegenstehen"?

Fichtner (BMUKN)

Nein, es ist eigentlich andersherum. Es gibt schon eine gute Tradition von Schutzgebieten in Küstengewässern und in ausschließlichen Wirtschaftszonen, und diese Möglichkeit wird jetzt auf die hohe See ausgedehnt. Wie Sie vielleicht wissen, sind die Bundesländer für die jeweiligen Küstengewässer und den dortigen Naturschutz zuständig, zum Beispiel im Nationalpark Wattenmeer. Wir als Bund sind für die ausschließliche Wirtschaftszone zuständig, die sich dann daran anschließt. Da gibt es bereits Schutzgebiete, deren Qualität wir derzeit noch weiter erhöhen wollen. Die hohe See ist dann wiederum etwas, das bisher nicht reguliert ist, und darum ist es ja so ein international großer umweltpolitischer Fortschritt, dass wir das künftig endlich tun können.

Zusatzfrage

Wenn Sie sagen, es sei genau andersherum, können Sie dann beispielhaft Projekte nennen, die sich mindestens in der wissenschaftlichen oder politischen Diskussion befinden, die eine Gefahr für den Schutz der Meere und der Biosphäre darstellen würden, wenn man sie realisierte, und die mit einem solchen Abkommen dann doch verhindert werden könnten?

Fichtner (BMUKN)

Bisher gibt es halt keine Schutzgebiete auf hoher See. Wir haben in den Schutzgebieten, die es anderswo in der Nähe der Küsten bereits gibt, die Erfahrung gemacht, dass sich die Natur wieder erholen kann. Dort, wo zum Beispiel keine Fische waren, kommen Fische also zurück. Diese Erfahrung ist wichtig und hat uns auch motiviert, das jetzt international voranzutreiben; denn am Ende ist es ja auch für die Menschheit insgesamt wichtig, dass die Meere als funktionstüchtiges Ökosystem weiter ihren Dienst tun, denn sonst hätten wir alle verloren.

Zusatzfrage

Sie sehen also nicht eine mögliche Risikoparallele zum Pariser Klimaabkommen, in dem sich die internationale Staatengemeinschaft auf Grenzwerte geeinigt hat, die, wie wir alle wissen, inzwischen serienweise gerissen werden?

Fichtner (BMUKN)

Sowohl im Bereich des Klimaschutzes als auch im Bereich des Meeresschutzes sind wir auf Zusammenarbeit angewiesen. Wir haben auch bei der letzten Klimakonferenz gesehen, dass es weltweit eine sehr große Bereitschaft gibt, weiter zusammenzuarbeiten, und freuen uns, dass es jetzt in diesem neuen Politikfeld, das bisher ungeregelt ist, ebenfalls diese große Bereitschaft gibt. Es gibt jetzt schon nach kurzer Zeit, nachdem das Abkommen vorgelegt wurde, glaube ich, 75 Ratifizierungen. Man hofft, dass schon in Kürze - Mitte nächsten Jahres oder Anfang übernächsten Jahres - die erste Vertragsstaatenkonferenz stattfinden kann. Deutschland wird dann voraussichtlich dabei sein können, wenn das jetzt gut durch den Bundestag geht. Insofern ist das ein neues Zusammenarbeitsfeld, auf dem wir uns gerne einbringen.

Giese (AA)

Ich habe eine Reiseankündigung. Außenminister Wadephul wird heute nach dem Nato-Außenministertreffen weiternach London reisen, wo er Bundespräsident Steinmeier bei dessen Staatsbesuch im Vereinigten Königreich begleiten wird.

Am Donnerstagmorgen wird der Außenminister dann weiter nach Wien zum OSZE-Ministerrat reisen. Auch dort wird es insbesondere um die klare Unterstützung der Ukraine seitens der meisten OSZE-Teilnehmerstaaten gehen.

Frage

Ich hätte noch eine Frage an den Regierungssprecher zur heutigen Kabinettssitzung. In der nächsten Woche soll ja erstmals der neu zusammengesetzte Konzernaufsichtsrat der Deutschen Bahnzusammenkommen. Hat das Kabinett heute die Besetzung der Eigentümerseitebeschlossen?

SRS Meyer

Wir würden hier ganz grundsätzlich zu Personalia, die in der Tat regelmäßig Thema im Kabinett sind, keine Auskunft geben. Das soll aber weder ein Ja noch ein Nein bedeuten, sondern es gibt grundsätzlich keine Auskunft.

Zusatzfrage

Falls nicht, woran liegt es denn, dass Sie es nicht beschlossen haben?

SRS Meyer

Wie gesagt, ich will mich an dieser Stelle nicht weiter dazu äußern. Ich denke, wenn Beschlüsse gefasst sind und Dinge feststehen, werden wir dann auch in geeigneter Weise informieren.

Zusatzfrage

Hat das BMV denn die entsprechende Vorlage eingereicht?

Blankenheim (BMV)

Ich kann dazu jetzt nichts sagen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Frage

Herr Meyer, Sie sagen, über Personalia gebe es keine Auskunft. Die Personalia, vor allem, was die Eigentümerseite des Bundes betrifft, werden dann ja aber doch, wenn sie getroffen worden sind, öffentlich gemacht. Das haben Sie eben auch noch einmal bestätigt. Das bedeutet, Ihre Aussage, Sie wollten nichts sagen, lässt doch gar keinen anderen logischen Schluss zu, als dass eben im Kabinett noch keine Besetzung beschlossen wurde, oder sehen Sie eine andere logische Möglichkeit?

SRS Meyer

Wie gesagt, diese Personalia betreffen ja häufig ganz unterschiedliche Dinge und auch entsprechende Abläufe, die eingehalten werden müssen. Deshalb habe ich gesagt: Grundsätzlich würde ich das nicht kommentieren. "Grundsätzlich" heißt ja immer, dass es auch einmal die Ausnahme geben kann, das in begründeten Einzelfällen anders zu handhaben. Aber hier würde ich dann gerne dabei bleiben.

Zusatzfrage

Aber Sie widersprechen nicht, dass die Logik Ihrer Aussage darauf hinausläuft, dass eben keine Personalie beschlossen wurde?

SRS Meyer

Die Interpretation liefern Sie ja meistens schon direkt mit. Ich würde bei dem bleiben, was ich gerade gesagt habe.

Frage

Ich habe eine Frage zu Aussagen des russischen Präsidenten. Der hat gestern ungewöhnlich offen über einen Krieg gegen Europaund über die Ukraine hinaus gesprochen und einen möglichen Atomwaffeneinsatz angedeutet. Wie haben Sie die Worte denn wahrgenommen? Ändern diese Worte Ihre Einschätzung der Lage?

SRS Meyer

Diese aggressive Rhetorik seitens Russlands ist aus unserer Sicht jetzt nichts wirklich Neues. Putin bedient damit erneut ein paar altbekannte Botschaften und stellt den Westen darin als Bedrohung dar.

Ich will hier noch einmal klar für uns sagen, die Nato und insbesondere Europa: Die Nato ist ein Verteidigungsbündnis. Wir in Europa sind in unserer gesamten Konstitution darauf ausgerichtet, dass wir hier in Frieden und in Freiheit zusammenleben wollen. Wenn es in den vergangenen Monaten und Jahren zu Entscheidungen gekommen ist, zum Beispiel im Bereich der militärischen Unterstützung oder auch, wenn wir über den neuen Wehrdienst und andere Dinge sprechen, dann reagiert das ja auf eine Entwicklung, und es reagiert auf die Entwicklung, dass Russland die Ukraine überfallen hat und auch immer deutlicher damit droht, unsere Sicherheit hier in Europa zu gefährden. Wir sehen heute schon hybride Angriffe und vieles andere. Insofern ist uns die Rhetorik durchaus bekannt.

Sie ist auch nicht ohne Ironie, weil ich noch einmal sagen will: Wir in Europa leben friedfertig zusammen. Unsere gesamte Konstitution ist darauf ausgerichtet, friedlich zusammenzuleben, mit unseren Nachbarn friedlich zusammenzuleben. Die Partei, die jeden Tag, jede Nacht Zivilisten bombardiert, Bomben abwirft und in ein Land einmarschiert ist, ist Russland. Insofern brauchen wir, glaube ich, da auch keine Belehrungen, sondern wir stehen auf der Seite des Friedens und auf der Seite der Freiheit. Wie das andere sehen, müssen dann andere beantworten.

Zusatzfrage

Der russische Präsident hat sich ja gestern auch mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff getroffen. Wurden Sie von den USA schon über die Ergebnisse informiert?

SRS Meyer

Wir befinden uns in der Tat in unterschiedlichen Formaten in laufendem Austausch, begleiten diese Gespräche weiterhin sehr eng, und es wird sicherlich in den nächsten Tagen auch noch weitere Gelegenheiten geben, das entsprechend auszuwerten. Uns ist, noch einmal gesagt, wichtig, die Ukraine für mögliche Gespräche stark zu machen, so stark wie möglich. Es ist auch wichtig, dass, wenn es denn zu Entscheidungen kommt, diese nicht über die Ukraine hinweg und insbesondere auch nicht über Europa hinweg getroffen werden können, denn unser Ziel in diesem gesamten Prozess, und das haben wir immer wieder betont, ist ein dauerhafter und nachhaltiger Frieden. Das ist das Entscheidende. Niemandem wäre geholfen, es wäre nichts gewonnen, wenn ein Frieden so aussähe, dass er eine kurze Atempause beinhaltet und eigentlich nur wiederum Zeit gewonnen wird, um in Zukunft neue Angriffe zu fahren. Das ist nicht das, was wir wollen, sondern wir wollen zu einer Friedensordnung zurückkehren, die langfristig und nachhaltig ist, und dafür führen wir in unterschiedlichen Formaten Gespräche, unter anderem auch im Umfeld dieser Gespräche, die dort stattgefunden haben.

Frage

Herr Meyer, Herr Giese, die EU-Kommission hat jetzt die Rechtstexte für die Nutzung der russischen sogenannten "frozen assets" vorgelegt. Der belgische Außenminister hat danach gesagt, dass die Vorbehalte Belgiens gegen diese Nutzung weiterhin nicht ausgeräumt seien. Die EU-Kommission habe keine Antworten auf die Bedenken der Belgier gegeben. Deswegen hätte ich ganz gerne gewusst, ob dieser Weg jetzt aus Sicht der Bundesregierung endgültig versperrt ist, oder setzen Sie weiter darauf, dass man am 18. Dezember einen Beschluss innerhalb der EU fassen kann?

SRS Meyer

Wir setzen definitiv weiter darauf, dass es uns gelingt, hier einen Schritt weiter zu kommen. Ich will vielleicht auch noch einmal ein, zwei Sätze zur Begründung sagen, da das immer so ein bisschen untergeht: Wir wollen, und das zeigen ja auch diese laufenden Gespräche, den Druck auf Russland weiter hoch halten, damit es am Ende bereit ist, nicht nur in Richtung Frieden zu blinken und das anzutäuschen, sondern tatsächlich an den Tisch zu kommen und ernsthaft in Gespräche einzusteigen. Denn wir sehen ja auch immer wieder, dass echte Verhandlungsbereitschaft bisher insbesondere von der ukrainischen Seite gezeigt wird, insbesondere auch von den USA gezeigt wird und von Russland leider nach wie vor nur in begrenztem Maße gezeigt wird. Deshalb ist die Nutzung dieser "frozen assets" für uns weiter ein entscheidendes Mittel, um den Druck auf Russland hochzufahren und auch vielleicht die Rechnung, die im Kreml hinsichtlich der Frage gemacht wird, ob sich eine Fortsetzung dieses Krieges lohnt oder nicht, ein Stück weit zu verändern. Deshalb - Herr Kornelius hat, glaube ich, vom Plan A gesprochen, den wir weiterhin verfolgen - gilt das selbstverständlich weiterhin. Wir werden auf Bedenken sicherlich eingehen und auch weitere Gespräche führen. Das Ziel bleibt aber eine Verabschiedung.

Zusatzfrage

Darf ich noch einmal nachfragen? Jetzt haben Sie allgemein geantwortet, aber nicht hinsichtlich des konkreten neuen Vorschlags, der jetzt vorgelegt wurde, und der belgischen Zurückweisung. Wie beurteilt die Bundesregierung also diese Vorschläge der Kommission, die aus Brüssel kommen, und den belgischen Wider- oder Einspruch?

SRS Meyer

Wir werden natürlich alles auswerten und uns genau anschauen, was dort vorgelegt wird. Wie gesagt, die Bedenken waren bekannt, die sind bekannt, und es wird sicherlich weitere Gespräche geben, um Bedenken auch ausräumen zu können. Wir setzen weiterhin darauf, am Ende zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen.

Vorsitzende Hamberger

Ergänzen Sie etwas, Herr Giese?

Giese (AA)

Nein. Wir verfolgen die gleiche Linie.

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Meyer und Herrn Müller. Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses erklärte kürzlich, dass man überlege, auf hybride Bedrohungen durch Russland aggressiver und proaktiver zu reagieren, und brachte auch einen Präventivschlag als defensive Maßnahme ins Spiel. Befürwortet die Bundesregierung solch ein Abrücken von einer reaktiven Haltung gegenüber Moskau, und wie könnten solche Operationen aussehen?

SRS Meyer

Ich weiß nicht, ob Sie da jetzt exakt zitiert haben, aber ich will trotzdem einmal auf die Äußerungen Bezug nehmen. Die haben wir zur Kenntnis genommen. Hybride Bedrohungen und Angriffe Russlands auf Nato-Mitglieder sind tagtägliche Realität, beispielhaft Spionage, Sabotage, Cyberangriffe, Luftraumverletzungen. Darüber haben wir auch hier immer wieder gesprochen. Wir nehmen diese Angriffe sehr ernst, die wir fortlaufend sehen. Wir stimmen unsere Reaktionen darauf innerhalb der Nato fortlaufend ab und passen unsere Reaktionen auch entsprechend an. Das ist alles, was es dazu zu sagen gibt.

Zusatzfrage

Sie wollen also nicht genau Stellung dazu beziehen, ob Präventivschläge in Zukunft auch eine Option sind?

SRS Meyer

Ich habe, glaube ich, noch einmal sehr klar darauf hingewiesen, dass die Nato ein Verteidigungsbündnis ist. Das ist die Konstitution dieser Nato. Daran wird natürlich nichts geändert.

Frage

Herr Meyer, Sie hatten gerade noch einmal von hybriden Angriffen Russlands und im Kontext damit auch vom Eindringen in den Luftraum gesprochen. Jetzt wurde erst kürzlich eine umfassende Studie von einer niederländischen Tageszeitung und einer anderen niederländischen Organisation veröffentlicht, die sich explizit den Drohnensichtungen gewidmet haben. Die sind zum Schluss gekommen, dass von den Drohnensichtungen von September bis heute zumindest in Westeuropa keine einzige Russland zugeschrieben werden könne. Ein Großteil wurde tatsächlich auf Hubschrauber, hell leuchtende Sterne, etc. zurückgeführt.

Vorsitzende Hamberger

Könnten Sie bitte zur Frage kommen?

Zusatzfrage

Ja. Ganz kurz zur Einleitung ein bisschen Kontext für Herrn Meyer! - Die Frage dahinter lautet, ob der Bundesregierung diese Studie vorliegt und was der Kanzler denn für Rückschlüsse daraus zieht, auch eingedenk seiner recht expliziten Aussagen, in denen er tatsächlich explizit von einer sehr wahrscheinlich russischen Täterschaft bei diesen drohenden Vorfällen gesprochen hat, etwa am 5. Oktober.

SRS Meyer

Mir ist diese Studie nicht bekannt. Aber es ist schon eine gewagte These, die hybriden Bedrohungen, die von Russland ausgehen, hier einmal eben mit einem Federstrich oder auch mit Verweis auf Berichterstattung so zur Seite zu wischen.

Zuruf

Das habe ich nicht getan. Ich habe nur auf die Drohnenproblematik verwiesen.

SRS Meyer

Das ist der Eindruck, der bei mir in der Frage entstanden ist, wie Sie sie an mich gestellt haben.

Zuruf

War falsch!

SRS Meyer

Ich kann jedenfalls noch einmal sagen, dass die hybride Bedrohung, die aus Russland ausgeht, in keiner Weise kleingeredet werden sollte, in keiner Weise. Die ist sehr real. Das stützt sich natürlich auf alle möglichen Informationen, die wir in unterschiedlichen Bereichen haben. Ich glaube, daran gibt es auch überhaupt keinen Zweifel.

Zusatzfrage

Aber ich habe noch eine Verständnisfrage sowohl an Sie, Herr Meyer, als auch an Herrn Müller. Jetzt war diese Drohnenthematik in den letzten Monaten ja wirklich sehr präsent, auch immer mit Verweis auf Russland. Deswegen würde mich interessieren, wie viele Belege in der Rückschau denn mittlerweile, Anfang Dezember 2025, der Bundesregierung dafür vorliegen, dass es sich tatsächlich um Drohnen, die auch in irgendeinem Kontext zu Russland stehen, gehandelt hat?

SRS Meyer

Ich würde noch einmal einen Satz sagen: Der Wesenszug von hybriden Angriffen ist ja genau, dass damit Unsicherheit geschürt werden soll, dass dann immer einmal wieder in Frage gestellt werden soll, wer denn eigentlich genau dahintersteckt. Wir erleben bei diesen hybriden Angriffen, wie gesagt, in der gesamten Bandbreite - Cyberangriffe, auch Desinformationen und andere Dinge, die wir dort sehen -, dass die für Verunsicherung sorgen sollen. Die sollen sicherlich auch Einfluss auf Entscheidungen nehmen, die in Europa getroffen werden. Wie gesagt, ich warne wirklich davor, diese Gefahr kleinzureden. Wie gesagt, der Wesenszug von hybriden Angriffen ist ja genau, diese Unsicherheit zu erzeugen, die vielleicht auch in Ihrer Frage ein bisschen mitschwang. Aber vielleicht sagt Herr Müller noch einmal etwas zum Konkreten.

Müller (BMVg)

Genau, ich wollte auch auf den Wesenszug dieser hybriden Bedrohung eingehen. Eine Auswertung eines Onlineportals einer niederländischen Zeitung ist für uns, finde ich, nicht maßgeblich für eine Bewertung. Das sage ich ganz eindeutig.

Zuruf

Ich habe ja nach Ihren Beispielen gefragt!

Müller (BMVg)

Lassen Sie mich bitte ausreden, das wäre sehr freundlich. Danke sehr. - Wir nutzen für ein Gesamtlagebild natürlich eine vielfältige Informationsbreite. Dazu gehören auch Nachrichten und Erkenntnisse unserer Partner und unserer eigenen Quellen, die andere nicht haben. Natürlich nutzen wir darüber hinaus Informationen, die sich mittelbar ergeben, also über die Technik, über Zielobjekte, was genau in welchem Umfang vorgefallen ist. Daraus ergeben sich Korrelationen, und daraus leiten wir unsere Bewertungen ab. Ich sehe aktuell keinen Grund, aus dem wir unsere Bewertungen der letzten Monate korrigieren müssten.

Frage

Herr Meyer und gegebenenfalls Herr Giese, wie schätzen Sie die Rolle der Europäer im Verhandlungsprozess ein? Putin hat ja sehr deutlich gesagt oder behauptet - und Peskow hat das auch noch einmal getan -, Europa habe sich selbst aus den Verhandlungen genommen, und hat darauf beharrt, dass allein die 28 ursprünglichen Trump-Punkte - die ja wohl wesentlich von Russland vorformuliert waren - Verhandlungsgrundlage sein könnten. Wie groß ist Ihre Hoffnung, Ihr Wissen, Ihr Vertrauen, dass Trump sich tatsächlich an die reduzierte Liste von 21 oder 22 Punkten halten wird? Wird er unter dem Druck Putins nicht doch wieder sagen: "Nein, es gelten die 28 Punkte"?

SRS Meyer

Ich will jetzt nicht spekulieren, was die konkreten Gespräche, die dort gelaufen sind, gebracht haben. Der Bundeskanzler hat immer wieder betont, dass ein zwischen Großmächten verhandeltes Abkommen ohne die Zustimmung der Ukraine und ohne die Zustimmung der Europäer keine Grundlage für einen echten und tragfähigen Frieden sein kann. Deshalb ist natürlich entscheidend, dass wir uns als Europäer in diesen Prozess immer wieder einbringen. Denn wenn es darum geht, eine Sicherheitsarchitektur aufzubauen, die wirklich für Generationen Sicherheit und Frieden in Europa und auch in der Ukraine möglich macht, dann geht das am Ende nur mit den Europäern. Ich denke, das ist auch allen Beteiligten bewusst.

Zusatzfrage

Ja, das ist die europäische Position; aber es geht ja erst recht nicht ohne die Zustimmung von Putin und Trump. Sind Sie auf den Fall vorbereitet, dass diese beiden imperialen Großmächte dann eben doch sagen: Schluss jetzt, das ist unsere Position. Wir alle wissen: Sie können die Ukraine nötigen, dem weitgehend zuzustimmen, und dann sind die Europäer draußen. Sind Sie auf dieses Szenario vorbereitet?

SRS Meyer

All unsere Kraft verwenden wir ja genau darauf - das haben wir auch in den letzten Tagen gesehen -, dass wir in diesen Fragen sehr eng abgestimmt agieren, insbesondere mit der Ukraine und den europäischen Partnern, aber natürlich auch mit den USA. Insofern stellt sich diese Frage nicht.

Frage

An das Außenministerium: Herr Giese, der deutsche Botschafter in Indien hat einen Meinungsartikel mit den Botschaftern aus Frankreich und Großbritannien in der "Times of India" veröffentlicht, in dem er Russlands Krieg in der Ukraine kritisiert. Der Artikel wurde kurz vor Putins Besuch in Indien veröffentlich, und jetzt kritisiert der Außenminister Indiens diesen Artikel als diplomatisch nicht angepasst. Hat er recht?

Giese (AA)

Das Außenministerium informiert sowohl hier in der Regierungspressekonferenz als auch über andere Kanäle. Genauso sind unsere Botschafterinnen und Botschafter weltweit dazu aufgefordert, über die Politik Deutschlands und über die Politik Europas zu informieren.

Der Namensartikel, den Sie ansprechen, stellt eine Einschätzung des russischen Verhaltens dar, die weltweit von den allermeisten Ländern geteilt wird, und das ist gemeinsam mit anderen Ländern veröffentlicht worden. Diese Art von Information in einer Tageszeitung ist auch genau die Aufgabe, die unsere Botschafter weltweit zu erfüllen haben. Das ist keine Einmischung, sondern das ist eine Darstellung der deutschen Haltung. Die vertreten wir hier in Deutschland, die vertreten wir weltweit, und wir stehen da komplett hinter unserem Botschafter.

Zusatzfrage

Eine kurze Nachfrage. Der russische Botschafter in Indien hat jetzt seinen eigenen Meinungsartikel veröffentlicht, in dem er Europa für den fehlenden Frieden in der Ukraine kritisiert. War es strategisch eine gute Idee, einen solchen Artikel des deutschen Botschafters zu diesem Zeitpunkt zu veröffentlichen?

Giese (AA)

Es ist immer eine gute Idee, zu seiner Meinung zu stehen und seine Meinung zu verbreiten. Wie gesagt, das tun wir hier und das tun wir weltweit. Welche Reaktionen das bei einem russischen Botschafter irgendwo in der Welt auslöst, ist uns ehrlich gesagt egal.

Frage

An Herrn Müller und Herrn Meyer: Der Inspekteur des Heeres hat erklärt, dass der Kontakt zum US-Verteidigungsministeriumabgebrochen sei. Auf deutsche Anfragen reagiere man nicht, und es sei schwierig, wichtige Informationen zu bekommen. Früher habe man Tag und Nacht jemanden im Pentagon erreichen können. Man sei dabei, einen wirklichen Verbündeten und einen Freund zu verlieren. - Wie erklärt sich die Bundesregierung diesen Kontaktabbruch? Was für Auswirkungen hat das für die Sicherheit in Deutschland?

Müller (BMVg)

Die Beziehungen zu unseren amerikanischen Partnern sind auf allen Ebenen für den Geschäftsbereich BMVg - also BMVg und Bundeswehr - gut und vertrauensvoll; das möchte ich klarstellen. Die Äußerungen vom General Freuding wurden hier aus dem Kontext gezogen.

Ich kann noch kurz einordnen, wie das zustande kam: Es war ein Interview von Anfang Juli, und er sprach über die Zeit, als die US-Administration in der Übergangsphase von der einen Regierung auf die andere war. Mittlerweile ist er Inspekteur des Heeres, aber zu diesem Zeitpunkt war er zuständig in der Rolle als Ukrainekoordinator bei uns im BMVg. In dieser Transitionszeit hatte er, wie er in dem Interview gesagt hat, etwas Mühe, dort die alten Nummern beziehungsweise die alten Leute - seine "points of contact", wie wir sagen - zu kontaktieren. Darauf bezog sich diese Aussage in dem Interview, und das wurde jetzt etwas außerhalb des Kontexts dargestellt. Wenn man diesen Hintergrund kennt und das noch einmal liest - ich habe das gestern auch noch einmal getan -, dann erschließt sich das auch; denn in dem Interview geht es auch um seine Rolle als Ukrainekoordinator.

Insofern kann ich noch einmal betonen: Die Beziehungen sind vertrauensvoll, die sind gut. Wir haben zum Beispiel auch - das wurde heute durch das Außenministerium angekündigt und wir haben es vorgestern angekündigt - ein weiteres PURL-Paket für die Ukraine abgestimmt. Da läuft auf verschiedenen Ebenen eine ganz enge Koordination und Kooperation, weil das dann ja auch direkt über die Nato mit den Amerikanern abgestimmt wird. Da sehen wir überhaupt keine Defizite, das möchte ich noch einmal ganz klar darstellen.

Frage

Auf dem Fliegerhorst Holzdorf an der Landesgrenze zwischen Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben heute Generalinspektor Breuer und der Inspektor der Luftwaffe, Holger Neumann, die Aktivierung der ersten Phase der Inbetriebnahme des israelischen Flugabwehrsystems Arrow3 eingeleitet. Da würde mich interessieren: Wie viele IDF-Soldaten und Militärtechniker befinden sich derzeit in Holzdorf, um Aufbau, Bedienung und Training an dem Flugabwehrsystem aus israelischer Produktion zu betreuen?

Müller (BMVg)

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das würde auch die vertrauliche Kooperation betreffen, insofern ist das keine öffentliche Information.

Ich kann nur ganz klar betonen, dass es ein Beispiel einer ganz engen Kooperation mit Israel ist. Die drei Nationen USA, Israel und Deutschland haben da ganz eng zusammengearbeitet. Just in diesem Moment - das läuft, soweit ich weiß, gerade in Holzdorf - nehmen wir die Anfangsbefähigung des Arrow-Systems - nicht Arrow 3; das ist nur der Flugkörper - in Betrieb und schaffen damit die Möglichkeit, sogenannte exoatmosphärische Flugkörper - also ballistische Mittelstreckenraketen und Langstreckenraketen, die von oberhalb der Erbatmosphäre kommen - abzufangen.

Das ist eine ganz wichtige Komplettierung der deutschen Luftverteidigung. Sie wissen, dass wir verschiedene Schichten haben. Wir reden immer vom Zwiebelschalensystem: Erst kommt der Nah- und Nächstbereich, dann kommen irgendwann IRIS-T und Patriot, und jetzt haben wir zum ersten Mal für Deutschland die sogenannte territoriale Flugkörperabwehr und sind damit in der Lage, auf diese gefährliche Bedrohung, die in der Welt existiert - die auch Proliferation unterliegt und die wir zum Beispiel in Russland sehen -, zu reagieren und diese Flugkörper abzufangen.

Zusatzfrage

Mehrere Quellen haben mir unabhängig voneinander bestätigt, dass die Bundeswehr ein umfangreiches koscheres Catering just für diesen Fliegerhorst bestellt hat, also gehe ich einmal davon aus, dass dort israelische Soldaten präsent sein werden.

Das führt mich zu der Frage: Auf Seite 21 des Einigungsvertrags heißt es, dass der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik nicht für die fünf neuen Bundesländer gilt. Da würde mich interessieren, auf welcher Rechtsgrundlage sich die israelischen Soldaten derzeit im Gebiet der fünf neuen Bundesländer oder explizit auf dem Fliegerhorst aufhalten. Könnten Sie das kurz ausführen, Herr Müller?

Müller (BMVg)

Das kann ich. - Das ist ja keine Stationierung. Das, was Sie ansprechen, würde eine Stationierung bedeuten. Wenn wir ausländische Streitkräfte zu Besuch haben - was an verschiedensten Standorten der Fall ist, zum Beispiel in Berlin und auch regelmäßig an Standorten in den neuen Bundesländern -, dann sind diese im Rahmen von Dienstreisen oder Rüstungskooperationen vor Ort und dann greifen diese Regelungen nicht.

Zusatzfrage

Es hängt ja davon ab, wie lange die israelischen Soldaten auf dem Fliegerhorst präsent sein werden. Könnten Sie das grob ausführen?

Müller (BMVg)

Wie ich ausgeführt habe: Wenn diese nicht stationiert sind, dann sind diese Regelungen nicht greifend.

Frage

Auch zu dem Arrow-System: Bis 2030 soll das gesamte System stehen. Wozu ist der Standort Holzdorf aktuell fähig?

Müller (BMVg)

Holzdorf stellt die Anfangsbefähigung dar. Über die technischen Details kann ich nicht reden. Vor allem bei diesem System, das so ein strategisches Abschreckungspotenzial und so eine Wirkung hat, ist es nicht angebracht, darüber zu reden.

Mit der Anfangsbefähigung werden wir unsere territoriale Flugkörperabwehr leisten können. In der Folge werden wir in weiteren Schritten an weiteren Standorten weitere Systemanteile aufbauen, sodass wir am Ende - ich glaube, es ist angestrebt, dass der letzte Standort 2028 finalisiert wird - die Vollbefähigung erreichen werden.

Den Vertrag haben wir vor zwei Jahren geschlossen. Das spricht dafür, dass die Bundeswehr und Deutschland in der Lage sind, durchaus innerhalb von kurzer Zeit ein komplexes System einzuführen. Das hat umfangreiche Baumaßnahmen, technische Integration, Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten, die das System betreiben, und natürlich auch Kooperation mit den anderen Streitkräften, die dieses System schon betreiben, zur Folge gehabt. Das hat hier sehr gut ineinandergegriffen, sodass wir das in gut zwei Jahren - ich glaube, im November 2023 ging es los, und jetzt haben wir Dezember 2025 - in Holzdorf haben errichten können. Das spricht dafür, dass wir so etwas durchaus in einer hohen Geschwindigkeit leisten können.

Frage

Herr Müller, könnten Sie noch kurz skizzieren, was die Gesamtkosten des Arrow-Projekts beinhalten?

Müller (BMVg)

Nach meiner Information belaufen sich die Kosten für das Gesamtsystem in seinem finalen Stadium, also wenn alle Stützpunkte und Standorte aufgebaut sind, auf 3,8 Milliarden Euro.

Zusatzfrage

Sie haben noch auf die Ausbildung verwiesen. Wie lange dauert es, bis Bundeswehrsoldaten in die Lage versetzt werden, dieses System tatsächlich selbst zu bedienen, und wer bedient die Systeme im Zweifel bis dahin?

Müller (BMVg)

Diese Informationen würden der militärischen Sicherheit unterliegen, insofern kann ich das hier nicht sagen. Sie können sich aber sicher sein, dass in den letzten Monaten genug Aufwand betrieben wurde, um die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr schon umfassend zu befähigen.

Frage

Herr Giese, mit großer Mehrheit ist einer Resolution der UN-Vollversammlungzugestimmt worden, nach der Israeldie Golanhöhen an Syrien zurückgebensoll. Deutschland hat sich, wenn ich richtig informiert bin, enthalten. Können Sie erklären, wieso sich Deutschland enthalten hat und nicht entweder dafür oder dagegen gestimmt hat? Was folgt aus dieser Resolution?

Giese (AA)

Das müsste ich Ihnen nachliefern. Es ist mir jetzt nicht bekannt, wie wir uns da verhalten haben.

Frage

Zum Nahostkonfliktund Gaza: Herr Giese, können Sie ein Update geben, wie hoch die Zahl der seit dem Waffenstillstand getöteten Palästinenser in Gaza Ihrer Kenntnis nach ist?

Zweitens. Wie hoch ist die Anzahl der Hilfstransporte, die derzeit täglich Gaza erreichen?

Giese (AA)

Die genaue Anzahl kann ich Ihnen nicht nennen. Ich kann aber ganz klar sagen: Die Anzahl ist zu hoch. Die hohe Anzahl von Toten und Verletzten in den vergangenen Tagen ist extrem besorgniserregend. Es ist zentral, dass sich alle Seiten an die Vereinbarung halten, den gerade erreichten Waffenstillstand nicht zu gefährden. Darauf richten sich auch unsere diplomatischen Bemühungen und darauf richten sich auch die Gespräche, die beispielsweise der Außenminister mit seinem israelischen Counterpart und wir alle im Auswärtigen Amt mit unseren jeweiligen Counterparts führen; das ist ganz klar.

Die Zahlen, die ich in Bezug auf die humanitäre Hilfe habe, sind nicht immer tagesaktuell, aber ich kann Ihnen sagen, dass, wenn kommerzielle Transporte berücksichtigt werden, zuletzt die Zielmarke von mindestens 4200 Lkw pro Woche erreicht wurde. Aufgrund von Regenfällen wird dies allerdings diese Woche nicht möglich sein. Grundsätzlich ist aber die Zielmarke, die auch in dem 20-Punkte-Plan vereinbart worden ist, erreicht.

Gleichzeitig ist es so, dass die vereinbarte Zielmarke von 250 Lkw der Vereinten Nationen pro Tag unerreicht bleibt. Entscheidend für nachhaltige humanitäre Hilfslieferungen wäre hier die Öffnung des Grenzübergangs Allenby. Das hat der Außenminister auch im Gespräch mit seinem jordanischen Außenministerkollegen in der vergangenen Woche betont. Diese Öffnung sollte dringend erfolgen.

Ebenso gilt entsprechend des 20-Punkte-Plans, dass es Fortschritte bei der Rehabilitierung von Krankenhäusern und der Wasser-, Abwasser- und Elektrizitätsinfrastruktur geben muss. Auch darüber sprechen wir mit unseren israelischen Counterparts, die im CMCC, dem zivilmilitärischen Koordinierungsstab, vertreten sind, um darauf hinzuwirken, dass das auch geschieht.

Zusatzfrage

Könnten Sie entweder jetzt benennen oder gegebenenfalls nachliefern, wer aus Sicht der Bundesregierung sowohl für die, wie Sie sagen, zu hohe Zahl der zivilen Toten als auch für die immer noch zum Teil mangelhafte Versorgung mit Hilfstransporten verantwortlich ist? Nur zu sagen, dass man an alle Seiten appelliert, entspricht ja nicht einem tatsächlichen Kenntnisstand.

Giese (AA)

Ich habe das gerade ziemlich ausführlich ausgeführt, und dabei würde ich gerne bleiben.

Frage

Herr Giese, heute wurde angekündigt, dass der Grenzübergang in Rafah in Richtung Ägypten wieder geöffnet wird. Wie schätzt die deutsche Regierung diese Entwicklung ein? Wie viel Druck wird jetzt gemacht, dass der Übergang wieder in beide Richtungen geöffnet wird?

Giese (AA)

Wir haben diese Ankündigung zur Kenntnis genommen. Diese Ankündigung der COGAT-Behörde, den Grenzübergang Rafah zu öffnen, sehen wir als grundsätzlich positives Signal. Während der Waffenruhe im Januar 2025 konnten über diesen Weg beispielsweise verletzte Personen den Gazastreifen zur Behandlung in Ägypten verlassen. Wir müssen jetzt sehen, ob die Öffnung tatsächlich auch wie angekündigt erfolgt - nach meinem Wissen ist das erst einmal nur angekündigt und nicht erfolgt.

Davon unbenommen bleibt natürlich - darauf zielt Ihre Frage ja auch ab -, dass alle Personen, die aus Gaza ausreisen, auch die Möglichkeit haben müssen, dorthin wieder zurückzukehren, wenn sie das wünschen. Das ist ganz klar die Haltung der Bundesregierung.

Noch einmal an die Frage von dem Kollegen anknüpfend: Grundsätzlich setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass weitere Grenzübergänge auch für den Güterverkehr geöffnet werden, um die humanitäre Versorgung der Menschen in Gaza zu erleichtern.

Zusatzfrage

Gibt es Pläne, dass Verletzte, die Gaza verlassen können, vielleicht auch in Deutschland behandelt werden können?

Giese (AA)

Wir haben dieses Thema hier schon häufiger besprochen. Diese Einreise zu ermöglichen, ist eine Entscheidung, die zum einen beim Bundesinnenministerium, zum anderen allerdings auch bei den Innenbehörden der Länder liegt.

Ganz grundsätzlich setzt sich die Bundesregierung vor allem dafür ein, die Betreuung der Menschen im Gazastreifen mit medizinischer Versorgung zu verbessern. Unsere Überzeugung ist, dass es besser da vor Ort sein soll. Jeder Transport von ein oder zwei Personen nach Deutschland ist sehr aufwendig und sehr teuer. In manchen Fällen, bei ganz komplizierten Sachen, ist eine Betreuung im Ausland vielleicht erforderlich. Für die allergrößte Anzahl der Personen wäre es allerdings in ihrem Interesse besser und einfacher, in den Nachbarländern behandelt zu werden, also in Jordanien und Ägypten. Die Öffnung von Rafah kann dazu ein Beitrag sein. Ich glaube, im Interesse einer schnellen und guten medizinischen Betreuung ist das entscheidend, und genauso die Wiederherstellung der Krankenversorgung in Gaza selbst. Deshalb drängen wir darauf, dass die erforderlichen Güter in den Gazastreifen eingeführt werden können, um Krankenhäuser, Feldlazarette etc. wiederherzustellen.

Vorsitzende Hamberger

Herr Zanetti, wollen Sie ergänzen?

Zanetti (BMI)

Hierzu würde erst einmal nichts ergänzen. Ich kann schauen, ob ich dazu noch etwas nachliefern kann. Ansonsten haben wir uns dazu in der Vergangenheit, meine ich, auch umfangreich geäußert.

Frage

Genau in diesem Kontext: Parteiübergreifend haben EU-Abgeordnete am 28. November einen offenen Brief an Herrn Wadephul verfasst und veröffentlicht. In diesem Brief fordern sie ihn auf, auf die israelische Regierung einzuwirken, damit die seit Monaten anhaltende Blockierung von EU-Hilfsgütern in Form von Medikamenten und chirurgischen Instrumenten für abertausende Kriegsverletzte in Gaza aufgehoben wird. Da würde mich interessieren: Hat der Außenminister diesen Brief erhalten, und wenn ja, plant er, dieser Forderung nachzukommen?

Giese (AA)

Mir ist jetzt genau dieser Brief nicht bekannt. Ich kann das nicht beantworten, ob er den erhalten hat. Allerdings ist die Forderung ja öffentlich bekannt. Ich habe gerade ausgeführt, dass wir dieser Forderung und dieser Bitte natürlich Folge leisten. Das ist auch unsere Überzeugung, dass das geschehen sollte. Das habe ich gerade gesagt.

Zusatzfrage

Jetzt blockiert Israel nachweislich insbesondere EU-Hilfstransporte nach Gaza, also den Transport von medizinischen Hilfsgütern, Skalpellen, Medikamenten und Titanplatten zur Wiederherstellung von abgerissenen Gliedern. Dieses Verbot begründet Israel damit, dass dies Dual-Use-Güter seien, die man auch militärisch nutzen könne. Da würde mich interessieren: Kauft die Bundesregierung dies der israelischen Regierung als ein ernsthaftes Argument ab, wodurch man tausende palästinensische Schwerverletzte von diesen Hilfsgütern ausschließen würde?

Giese (AA)

Ich habe gerade gesagt, worauf wir drängen. Was wichtig ist, ist die medizinische Versorgung. Dazu gehören auch Güter, die in einer sehr, sehr langen möglichen Dual-Use-Güterliste enthalten wären. Fast jeden Gegenstand, der fest und aus Metall ist, kann man natürlich auch in einer negativen Art und Weise verwenden. Bei den allermeisten medizinischen Gegenständen würden wir das allerdings nicht so sehen.

Dennoch: Für uns sind natürlich auch die israelischen Sicherheitsinteressen von großer Wichtigkeit. Da sind wir im Dialog mit Israel und drängen darauf zu ermöglichen, mehr medizinische Güter in den Gazastreifen gelangen zu lassen.

Frage

Ich möchte noch einmal auf das Thema Angebot mehrerer westdeutscher oder deutscher Kommunen zur Aufnahme und Behandlung verletzter oder traumatisierter Kinder aus Gaza in deutschen Kommunen zurückkommen. In der Vergangenheit hat die Bundesregierung eine Zustimmung zu diesen Angeboten abgelehnt. Das ist jetzt noch einmal in den parlamentarischen Prozess gekommen und ist Thema von Verhandlungen oder Gesprächen im Bundestag. Hat sich an der ablehnenden Haltung der Bundesregierung in den letzten Tagen und Wochen irgendetwas geändert?

Vorsitzende Hamberger

Wer möchte?

Zusatzfrage

Ich glaube, es geht an das BMI. Die sind, glaube ich, in der Ablehnung federführend.

Zanetti (BMI)

Ich kann da nur wiederholen, was ich gerade schon gesagt habe, dass wir uns dazu in der Vergangenheit umfangreich geäußert haben und ich im Moment nichts Neues hinzuzufügen habe.

Giese (AA)

Ich habe eine Nachreichung zur Frage von dem Kollegen zur Abstimmung über die Golanhöhen.

Mir war das deswegen nicht bekannt, weil das auch keine richtige Information ist. Wir haben bei dieser Erklärung der Generalversammlung über die Golanhöhen mit Ja gestimmt. Wir haben sie also unterstützt.

Frage

Sie haben unterstützt - nur, um es richtig zu verstehen -, dass Israel sich von den Golanhöhen zurückziehen soll?

Giese (AA)

Der Inhalt dieser Resolution ist ja ziemlich ausführlich und ziemlich groß. Einer der Inhalte ist - Sie müssten sie, wie gesagt, noch einmal nachlesen -, dass der Golan völkerrechtlich zu Syrien gehört.

Frage

Noch einmal eine Verständnisfrage: Einerseits nimmt die Bundesregierung die Haltung ein, dass man schwerverletzte palästinensische Kinder oder auch Erwachsene nicht nach Deutschland einfliegt, weil man die Kapazitäten vor Ort stärken will. Gleichzeitig werden die medizinischen Hilfsgüter, die - maßgeblich auch mit deutschem Steuergeld finanziert - nach Gaza gehen sollen, von COGAT, also von den dafür zuständigen israelischen Behörden, zurückgehalten. Das ist jetzt ein Status, der seit Monaten so anhält. Da würde mich noch interessieren: Wieso haben denn nach Bewertung der Bundesregierung die Bemühungen Deutschlands und auch der EU, da endlich eine Freigabe zu erlangen, so wenig Wirkung beim israelischen Partner?

Giese (AA)

Wir haben ja - - - Jetzt kommen wir schon wieder zu dem Themenbereich zurück, den wir, glaube ich, schon fast abgeschlossen hatten.

Zusatz

Nein, nur durch Ihre Nachreichung wurde der verlassen.

Giese (AA)

Okay.

Ganz grundsätzlich - ich habe es ja ausgeführt -: Wir wollen, dass mehr medizinische Güter nach Gaza gelangen. Wir setzen uns dafür ein, dass Grenzübergänge eröffnet werden, dass medizinische Behandlung in Jordanien und auch in Ägypten, generell in der geografischen Nachbarschaft, möglich ist. Darüber hinaus setzen wir uns auch dafür ein, dass diese Behandlung in Gaza möglich ist. Wir sprechen darüber mit der israelischen Seite. Ich glaube, wir sind da nicht die einzigen, sondern alle Europäer tun das. Wir erwarten da eine Besserung. - Ich glaube, dabei bleibt es.

In Bezug auf die Behandlung in Deutschland: Wie gesagt, das ist eine Frage, die man auch mit einem vernünftigen Einsatz von Mitteln beantworten muss. Da gibt es sehr, sehr viele Menschen, denen es sehr schlecht geht, die dringend auf medizinische Behandlungen angewiesen sind. Ich glaube, da ist beim Mitteleinsatz insbesondere geboten, so effektiv wie möglich vorzugehen. Da ist unsere Präferenz, das vor Ort zu erledigen. Da kann man mehr Menschen mit weniger Mitteln helfen.

Zusatzfrage

Meine Frage war aber, wie sich die Bundesregierung erklärt, dass sie so wenig Einfluss auf den israelischen Partner hat und explizit die genannten EU-medizinischen Hilfsgüter seit Monaten zurückgehalten werden, insbesondere in Rafah.

Giese (AA)

Es gibt Gespräche, und es gibt ein Gesamtbild. Die humanitäre Versorgung in Gaza hat sich ganz erheblich verbessert. Die Zielmarken sind da erreicht. Es gibt weitere Gebiete, wo noch eine Verbesserung erforderlich ist, wo wir darauf drängen. Daran arbeiten wir. Wir sind aber zuversichtlich, dass das auch gelingen kann.

Frage

Herr Meyer, der Kanzler reist jetzt nach Israel. Können Sie sagen, ob das auch auf der Agenda des Kanzlers steht, ob er sich also dafür einsetzt, dass die Versorgung der Palästinenser sich verbessert?

SRS Meyer

Sie können davon ausgehen, dass alle Elemente des 20-Punkte-Friedensplans und die entsprechende Umsetzung ein wesentlicher Teil der Gespräche sind. Im Einzelnen kann und will ich da nicht vorgreifen. Das müssen wir auf der Reise oder im Anschluss noch einmal im Detail machen.

Aber natürlich ist absolut naheliegend, dass der gesamte Komplex eine Rolle spielen wird. Wie das langfristig und nachhaltig abgesichert werden kann, wie wir dort zu weiteren Verbesserungen und zu einer Stabilisierung in der Region kommen, das ist natürlich Teil von Gesprächen.

Zusatzfrage

Wird er auch die Gewalt jüdischer Siedler im Westjordanland ansprechen?

SRS Meyer

Sie kennen die Position der Bundesregierung dazu. Was er genau ansprechen wird und was nicht, dem kann ich leider nicht vorweggreifen.

Frage

Herr Meyer, aktuell erschüttert ein Korruptionsskandal rund um die ehemalige Außenbeauftragte Mogherinidie EU. Was sagt denn die Bundesregierung dazu?

SRS Meyer

Wir beobachten das sehr genau. Da es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt, würden wir jetzt aber zum Verfahren selbst keine Stellung abgeben.

Zusatzfrage

Der Skandal dürfte ja auch die EU-Kommissionspräsidentin weiter unter Druck setzen. Genießt Frau von der Leyen denn noch das volle Vertrauen der Bundesregierung?

SRS Meyer

Selbstverständlich ist Frau von der Leyen als Kommissionspräsidentin eine wichtige Ansprechpartnerin für uns. Ich glaube, Herr Kornelius hat schon etwas zu diesem Satz gesagt, den man dann immer liefert oder nicht liefert - selbstverständlich.

Frage

Wir hatten bereits vor einigen Wochen das Thema des illustren Abendessens des Bundeskabinetts mit den 16 Verfassungsrichternhinter verschlossenen Türenim Kanzleramt. Jetzt ist kürzlich herausgekommen, dass Innenminister Dobrindt seine Aufzeichnung von diesem Abend zum Thema "Wie zukunftsfähig ist das Grundgesetz?" vernichtet hat. Da würde mich interessieren: Aus welchen Motiven hat sich der Innenminister denn dieser Aufzeichnungen entledigt?

Zanetti (BMI)

Ich weise erst einmal die Aussage, er habe sich irgendetwas entledigt, zurück. Zum Einzelfall kann ich jetzt hier keine Auskunft geben, würde aber gegebenenfalls etwas nachliefern.

Frage

Eine Frage an das Gesundheitsministerium: Die USA und Großbritannienhaben jetzt einen Pharmadealbeschlossen. Der sieht unter anderem vor, dass die britischen Gesundheitsbehörden 25 Prozent mehr für Medikamente zahlen, wenn sie die ankaufen. Der US-Präsident fordert seit geraumer Zeit, dass die Preise für Pharmaprodukte erhöht werden sollen. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob es in der Bundesregierung ähnliche Überlegungen gibt, dass man bei einem Deal zwischen den USA und der EU dann auch die Preise für Medikamente hier in Deutschland erhöht.

Haberlandt (BMG)

Zunächst einmal: Solche Überlegungen sind mir nicht bekannt.

Vielleicht erst einmal zu dem gesamten Komplex: Das BMG erwartet keine Auswirkungen dieses Deals zwischen den USA und Großbritannien auf die Arzneimittelpreise in Deutschland und die GKV-Ausgaben. Das liegt an der funktionalen gesetzlichen Regelung zu Preisen von Arzneimitteln in Deutschland. Das ist die AMNOG-Regelung. Von daher erwarten wir keine Änderung.

Zusatzfrage

Die Frage bezog sich mehr auf das Abkommen, das noch aussteht, nämlich zwischen der EU und den USA. Unterstützt die Bundesregierung da eine Position, dass es parallel zu dem britischen Abkommen dann auch hier eine Erhöhung der Preise gibt, oder wird das abgelehnt?

Haberlandt (BMG)

Dazu ist mir zu diesem Zeitpunkt nichts bekannt. Ich werde gerne einmal nachhören, ob wir dazu eine Position haben. Wenn ich etwas dazu höre, dann reiche ich es gerne nach.

SRS Meyer

Ich habe noch eine Nachreichung.

Sonst kündigen wir hier Termine an. Ich mache jetzt das Gegenteil, ich kündige einen Termin ab. Leider müssen wir den Besuch des Bundeskanzlers bei den Johanniternam Freitag, den 5.12., aufgrund wichtiger terminlicher Verpflichtungen des Bundeskanzlers im Bundestag kurzfristig absagen.

Da wir den Termin hier angekündigt haben, wollte ich das aus Transparenzgründen hier auch mitteilen.

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