09/18/2025 | Press release | Archived content
Frage: Herr Bundeskanzler, die -Kommissionspräsidentin hat Vorschläge vorgelegt, was Sanktionen gegen Israel angeht. Mich würde interessieren, wie Sie zu diesen Vorschlägen stehen. Hat sich die Bundesregierung schon darauf verständigt, Handelssanktionen auf jeden Fall im -Rat abzulehnen? Wie stehen Sie zu den anderen Vorschlägen, also zu personenbezogenen Sanktionen oder etwa einem Einfrieren der Forschungsförderung? Was halten Sie von der Forderung von Ministerpräsident Sánchez, Israel von großen Sportveranstaltungen und Kulturveranstaltungen auszuschließen?
Herr Ministerpräsident, wie stehen Sie zu den Vorschlägen von Frau von der Leyen? Gehen die Ihnen weit genug? Haben Sie Verständnis für die deutsche Zurückhaltung beim Thema Sanktionen?
Bundeskanzler Merz: Herr Fischer, Sie wissen, dass wir in der Sache eine sehr klare Position in der Bundesregierung haben - ich habe das gerade noch einmal ausgeführt - und wie wir auch über den Konflikt dort denken. Wir stehen auf der Seite Israels. Das heißt nicht, dass wir jede Entscheidung einer israelischen Regierung teilen und gutheißen. Ich habe das selbst auch hinreichend zum Ausdruck gebracht, denke ich.
Wir werden eine abschließende Meinung der Bundesregierung zu diesen Fragen, die jetzt auf der europäischen Ebene zu beantworten sind, in den nächsten Tagen miteinander finden. Wir werden ja in der nächsten Woche noch einmal eine vollständige Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in Berlin haben, und wir sind dann auch alle in Berlin. Das heißt, wir werden in der nächsten Woche auch auf der Ebene des Bundeskabinetts noch einmal miteinander über diese Fragen sprechen. Ich gehe davon aus, dass wir dann beim informellen Rat am 1. Oktober in Kopenhagen eine Position haben werden, die auch von der ganzen Bundesregierung getragen wird.
Ministerpräsident Sánchez : Vielen Dank für diese Fragen. Im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Präsidentin der Europäischen Kommission ist die spanische Position ganz eindeutig: Wir sind damit einverstanden. Wir fordern die Europäische Kommission ja schon seit einem Jahr auf, das strategische Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel aufzukündigen auszusetzen, weil einer der wichtigsten Artikel verletzt wurde, und zwar der Respekt für das internationale Menschenrecht.
An zweiter Stelle möchte ich mehreres klären. Das spanische Volk ist ein Volk, das Freund des israelischen Volkes ist. Ich war wenige Monate nach dem schrecklichen Attentat der Hamas in Israel, bin dort vorstellig geworden und habe sofort die Befreiung aller Geiseln durch die Hamas gefordert. Aber als ein Land, das über viele Jahre hinweg Erfahrungen mit dem Terrorismus gemacht hat - glücklicherweise ist der -Terrorismus jetzt vorbei, aber wir dürfen nicht vergessen, dass das schwerwiegendste dschihadistische Attentat in dieser Stadt, in Madrid, stattgefunden hat -, haben wir diese Erfahrung, und wir wissen, wie man den Terrorismus besiegt. Das ist nicht so, wie Israel es versucht, nicht durch einen wahllosen Angriff auf die Zivilbevölkerung mit mehr als 65.000 Toten. Das Ergebnis dieser Strategie wird nicht nur ein isolierteres Israel, sondern auch ein unsichereres Israel und eine ganze Region sein, die noch sehr viel unsicherer als vor dem Attentat der Hamas sein wird. Aus diesem Grund muss man der israelischen Regierung deutlich machen, dass ihre Strategie vollkommen falsch ist. Sie trägt dazu bei, dass die Situation nicht nur für die palästinensische Bevölkerung, sondern für die ganze Region immer schwieriger wird.
Es mag einigen Vertretern der Presse eigenartig vorkommen, dass Spanien sich hier so deutlich äußert. Vielleicht ist das darauf zurückzuführen, dass wir mediterran sind. Wir gehören dem Süden Europas an. Wir sind uns nicht nur bewusst, dass man das internationale Völkerrecht schützen muss, sondern die Stabilität einer derart wichtigen Region wie des Nahen Ostens und wie des Mittelmeerraums macht uns natürlich besondere Sorge.
Aus diesem Grund werden wir weiterhin alles daransetzen, dass sich Frieden so bald wie möglich einstellt und dass wir uns allmählich auf die Zweistaatenlösung zubewegen können. Es handelt sich dabei um eine Lösung, die - ich sage es immer wieder - in der friedlichen Koexistenz zweier Völker bestehen muss, die wir beide bewundern, das israelische Volk und das palästinensische Volk.
Frage: Ich bedanke mich im Namen der spanischen Journalisten. Sie haben hier über die Unterschiede gesprochen. Spanien spricht von Genozid, Deutschland aber nicht. Herr Kanzler, was müsste passieren, damit Deutschland wie Spanien auch von einem Völkermord in Gaza spricht?
Dann habe ich eine weitere Frage. Hat der spanische Präsident Sie davon überzeugen können, den spanischen Regionalsprachen offiziellen Charakter in der Europäischen Union zu verleihen? Ist das überhaupt zur Sprache gekommen?
Ministerpräsident Sánchez : Vielen Dank, für diese Fragen. An erster Stelle: Nein, wir sind nicht in Einzelheiten darauf eingegangen, das, was in Gaza vorliegt, terminologisch zu qualifizieren. Die unterschiedlichen Positionen sind ja dargestellt worden. Diese Woche ist von der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen ein Bericht herausgegeben worden, der von Völkermord spricht, und laut Umfragen in Spanien sagen 82 Prozent der spanischen Bevölkerung, dass es sich ihrer Auffassung nach um einen Genozid handelt.
Aber es ist ganz klar, dass die deutsche und die spanische Regierung übereinstimmen, was die Ziele anbelangt. Über die Wege, die dahin führen, sind wir unterschiedlicher Auffassung. Aber wir beide streben an und wünschen uns, dass es zu einer friedlichen Koexistenz beider Völker kommt, dass der Gewalt ein Ende bereitet wird, dass sich ein politischer Horizont auftut, dass das Leiden aufhört und dass humanitäre Hilfe geleistet werden kann. Genau darin sind wir uns einig.
Was die offiziellen Sprachen anbelangt: Ja, in der Tat habe ich dem Kanzler hier die spanische Position erklären können. Sie ist wohlbekannt. Natürlich geht das nur mit Einstimmigkeit. Wir warten seit 40 Jahren darauf, und vielleicht gelingt es irgendwie in einer nicht allzu fernen Zukunft, doch so weit zu kommen.
Bundeskanzler Merz: Wir sehen vor allem das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Wir teilen die Einschätzung, dass dies im Hinblick auf die zu Recht von der israelischen Regierung erwarteten Ziele unverhältnismäßig ist. Ich will es noch einmal sagen: Dieser Krieg endet sofort, wenn die Hamas die Geiseln freilässt und die Waffen schweigen lässt. Die Hamas hat es in der Hand, innerhalb von Stunden diesen Konflikt zu beenden. Trotzdem sehen wir die eingesetzten Mittel als kritisch an. Wir teilen die Einschätzung der israelischen Regierung nicht, dass sie auf diesem Weg das Ziel erreichen kann, nämlich die Hamas auf Dauer zu beseitigen. Insofern teilen wir die Kritik im Vorgehen. Wir teilen nicht miteinander die Beschreibung dieses Vorgehens als einen Völkermord.
Wir bemühen uns gemeinsam in der Europäischen Union und bemühen uns als jedes Mitgliedsland in der Europäischen Union, auf die israelische Regierung einzuwirken. Sie wissen vermutlich, dass ich bereits vor fünf Wochen die Entscheidung getroffen habe, dass Waffen und Munition, die in diesem Teil des Konfliktes eingesetzt werden können, aus der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr geliefert werden. Ich halte diese Entscheidung nicht nur nach wie vor für richtig, ich fühle mich durch die Entwicklung der letzten Tage auch bestätigt darin, dass es dazu wirklich keine bessere Alternative gab, als sie genau so zu treffen.
Wir haben über die Sprachen gesprochen. Ja, ich kenne die spanische Position. Ich bin selbst Mitglied des Europäischen Parlaments gewesen und weiß, wie kompliziert der Sprachendienst in der Europäischen Union ist. Jede zusätzliche Sprache multipliziert natürlich noch einmal den Bedarf an Übersetzungen. Ich glaube sogar, dass es mittelfristig eine sehr gute Lösung gibt: Wir werden alle eines Tages über künstliche Intelligenz keine Dolmetscher mehr brauchen. Dann werden wir alle auf unseren Ohrhörern jede Sprache der Welt in der Europäischen Union hören und verstehen und sprechen können. Bis dahin ist noch einige Zeit.
Ich habe das Anliegen verstanden. Wir werden darüber auch noch einmal miteinander reden. Ich verstehe die Position der spanischen Regierung und des spanischen Ministerpräsidenten im Hinblick auf die sprachlichen Herausforderungen, gerade hier in Spanien. Ich weiß, wie unterschiedlich diese Sprachen auch sind. Es sind ja Sprachen, die zum Teil gar nicht gegenseitig verständlich sind. Insofern verstehe ich das Anliegen. Wie wir es lösen können, darüber müssen wir noch weiter diskutieren.
Frage: Herr Ministerpräsident, Herr Bundeskanzler, Sie haben eben die Rüstungszusammenarbeit erwähnt, und ich würde ganz gerne auf zu sprechen kommen, ein Thema, bei dem Deutschland, Spanien und Frankreich ja schon zusammenarbeiten. Ich hätte ganz gerne von Ihnen beiden gewusst, ob Sie zu diesem Projekt stehen, selbst wenn es bleibende Differenzen mit Frankreich geben sollte. Werden Spanien und Deutschland an diesem Projekt also festhalten, möglicherweise dann mit anderen Partnern?
Herr Ministerpräsident, ich habe eine Zusatzfrage zur Ukraine. Es geht ja um konkrete Hilfe. Spanien verfügt unter anderem über Patriot-Luftabwehrsysteme. Wäre Spanien bereit, der Ukraine, die täglich angegriffen wird, auch neue Systeme zu liefern?
Bundeskanzler Merz: Herr Rinke, wir haben in der Tat über gesprochen, und wir teilen miteinander die Einschätzung, dass die gegenwärtige Situation unbefriedigend ist. Wir kommen mit diesem Projekt nicht voran. Wir sprechen beide mit der französischen Regierung, und wir wollen beide möglichst bald eine Lösung. Es gibt eine Verabredung zwischen Frankreich, Deutschland und Spanien über dieses Projekt. Wir sind uns beide darüber im Klaren, dass wir ein solches Projekt brauchen. Aber es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig. Deswegen haben wir beide darüber gesprochen, ich habe auch mit dem französischen Staatspräsidenten mehrfach darüber gesprochen, und wir wollen versuchen, bis zum Ende des Jahres eine Lösung herbeizuführen, damit dieses Projekt dann auch wirklich realisiert werden kann.
Ministerpräsident Sánchez : Vielen Dank für diese Fragen. Ich glaube, der Kanzler hat auf die erste Frage ausgiebig geantwortet. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Spanien ist wirklich für dieses Projekt, aber unter den Voraussetzungen, die wir, die drei Länder Frankreich, Spanien und Deutschland, verabredet hatten. Wenn wir also von dem Europa der Verteidigung sprechen, dann haben wir hier ein typisches Beispiel dessen, was darunter zu verstehen ist, und hoffentlich gelingt es bald, dies in Angriff zu nehmen.
Zur zweiten Frage nach der Ukraine und den Luftabwehrsystemen möchte ich sagen, dass Spanien bereits Luftabwehrsysteme und Kapazitäten in die Ukraine verlagert hat. Nicht Patriot-Systeme, aber andere Systeme. Ich kann mich nicht zu der Patriot-Kapazität Spaniens äußern, aber es gibt ein weiteres -Mitgliedsland, in dem wir die Systeme stationiert haben, und zwar in der Türkei, und uns in Spanien interessiert natürlich vor allen Dingen der Schutz der Südflanke. Aber die Luftabwehrsysteme, die wir an die Ukraine geliefert haben, sind ein Fakt.
Frage: Es gibt sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Ausgaben für die Verteidigung. Spanien ist da ja anderer Auffassung. Haben Sie darüber gesprochen?
Haben Sie auch darüber gesprochen, wie man sich der Ultrarechten in Europa widersetzen kann?
Herr Ministerpräsident, wie ist das Gespräch zwischen Rodríguez Zapateround Juntsverlaufen? Wird Juntsden Haushalt unterstützen?
Ministerpräsident Sánchez : Auf die letzte Frage antworte ich, was ich immer antworte: Ich habe keine Informationen darüber. Ich habe heute Nachmittag hier etwas anderes gemacht. Sie erfahren das sicher, bevor ich es tue.
Wir haben im Zusammenhang mit der extremen Rechten gesagt, dass es im Europäischen Parlament drei politische Kräfte gibt, die Sozialdemokraten, die Volkspartei und die Liberalen, die eine sehr solide Mehrheit darstellen, die unsere Prioritäten und Strategien vertritt, natürlich alles immer unter dem Vorbehalt, dass im Europäischen Parlament die entsprechenden Richtlinien in Übereinstimmung mit dem Bericht von Letta und Draghi verabschiedet werden müssen. Dort haben wir eben diese drei politischen Familien.
Was den Beitrag zum -Haushalt anbelangt, haben wir darüber nicht gesprochen. Kanzler Merz kennt natürlich die spanische Position diesbezüglich bestens. Ich möchte hier nur unseren beiden Bevölkerungen sagen, dass Spanien im Jahre 2017 einen Haushalt für Verteidigung von (akustisch unverständlich) Prozent des Bruttoinlandsprodukts geerbt hat und wir jetzt bei mehr als zwei Prozent liegen. Wenn es also eine Regierung gibt, die ihrer Verantwortung gerecht wird, einen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung zu leisten, dann ist es diese Regierung Spaniens. An der Ostflanke stellen wir das mit der Stationierung von Truppen, von militärischen Kapazitäten, von Flugzeugen unter Beweis.
Was den Aufruf des Generalsekretärs der im Zusammenhang mit den russischen Drohnen anbelangt, haben wir bekundet, dass wir absolut dazu bereit sind, an der entsprechenden neuen -Mission teilzunehmen. Was die Teilnahme Spaniens an den -Missionen anbelangt, sind wir hier also voll engagiert und sind ein sehr zuverlässiger Partner.
Bundeskanzler Merz: In der Tat kenne ich die spanische Position. Wir haben ja auch in Den Haagauf dem -Gipfel bilateral darüber gesprochen. Wichtig ist, dass wir alle in der Europäischen Union auf der europäischen Seite der -Bündnisses - dazu zähle ich auch ganz bewusst und mit großer Freude Großbritannien, das hier einen wichtigen Beitrag leistet und eng mit uns zusammenarbeitet - die Fähigkeiten entwickeln, die wir brauchen, um uns wirksam zu verteidigen. Natürlich sind das Messgrößen, an denen wir uns orientieren. Aber wir akzeptieren selbstverständlich, dass Spanien, und ich kenne die Zahlen, in den letzten Jahren einen enormen Aufholprozess im Hinblick auf seinen Verteidigungshaushalt geleistet hat. Wir alle sind von fünf Prozent weit entfernt. Im Übrigen haben wir 3,5 Prozent für die reinen Verteidigungsausgaben verabredet, und das ist die Größe, der wir uns alle nähern müssen. Aber wir sehen den Weg, den Spanien gegangen ist, und begrüßen es sehr, dass die spanische Regierung hier so ambitioniert ist. Wir sind uns gleichwohl darüber im Klaren, dass wir auch in Zukunft mehr brauchen und dass wir hier gemeinsam größere Anstrengungen unternehmen müssen.
Lassen Sie mich abschließend gern noch einmal auf unsere Zusammenarbeit im Europäischen Parlament zu sprechen kommen. Die europäischen Sozialdemokraten werden von einer Spanierin geführt. Die europäischen Christdemokraten werden von einem Deutschen geführt. Wir beide haben verabredet, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten hier sehr eng begleiten wollen, wie die Zusammenarbeit unserer beiden Fraktionsgruppen im Europäischen Parlament geleistet wird. Zusammen mit den Liberalen haben wir eine Mehrheit im Europäischen Parlament, und ich möchte gerne, dass diese Mehrheit aktiv bleibt und dass sie jetzt auch den Weg mitgeht, zum Beispiel bei den ersten Omnibusvorschlägen - so heißen sie ja in Brüssel - im Hinblick auf den Rückbau der Bürokratie. Wenn diese Zusammenarbeit gut funktioniert, dann ist die Mehrheit im Europäischen Parlament gesichert. Wenn es dort Schwierigkeiten geben sollte, haben wir beide verabredet, dass wir miteinander sprechen und versuchen, die Differenzen zu überwinden, sodass die beiden Fraktionen dann wirklich eine gute Zusammenarbeit im Europäischen Parlament finden. Da ich selbst in diesem Parlament war, habe ich ein Gefühl dafür, was man tun muss, um es auch hinzubekommen. Ich gebe allerdings zu: Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich im Europäischen Parlament war, ist die Zahl der Fraktionen noch viel, viel kleiner gewesen, die Zahl der Mitgliedstaaten auch. Es wird also komplizierter, aber wir beide sind verabredet, zu helfen.
Ministerpräsident Sánchez : Vielen Dank und guten Abend!